Treppensteigen

Lassen sich Treppen durch den Erlebniswert besser steigen?
Beobachtungen von W. Diehl 2002

Das oberste Gebot eines Treppenbauers ist, ein passendes Steigungsverhältnis beim Bau einer Treppe zu wählen (2 x Steigung + 1 x Auftritt = 63 cm), um schematisch und mathematisch nachweisen zu können, dass sich die Treppe gut steigen lässt.

Was ist geschehen, wenn die Zahlenfolge stimmt, die Treppe jedoch mühselig zu besteigen ist? Diese Erfahrung machten auch die Teilnehmer einer Exkursion der Gesellschaft für Treppenforschung in Wien, als sie Jugendstilhäuser des Baumeisters Otto Wagner besichtigten, die um die Jahrhundertwende erbaut waren.

Aus dieser Erfahrung ergab sich der Anlass, Treppen auf ihre Bequemlichkeit zu untersuchen. Dabei wurden Tabellen mit den verschiedensten Klassifizierungsschemen erstellt wie zum Beispiel Steigungsverhältnis, Belag, Oberflächenbeschaffenheit der Stufen, Treppenart und Übersichtlichkeit. Die Nutzer wurden unterteilt in männlich/weiblich, Alter, Schuhbeschaffenheit sowie Transport von Gegenständen. Die Gangart gliederte sich in sportlich, elegant, schwerfällig, schleifend, schnell, langsam, mit oder ohne Blickkontakt auf die Stufen.

Versteckte Kamera
Treppennutzer im EinkaufszentrumUm die Begehbarkeit von Treppen einordnen zu können, wurde das Gehverhalten beim Treppenbenutzer beobachtet. Mit einer Kamera wurden die Treppenbenutzer gefilmt, z.B. in Bahnhöfen, Schulen, Gaststätten sowie in einem Einkaufszentrum (Nordwestzentrum Frankfurt M.). Bei letztgenanntem konnten versteckt beobachtet werden. Es handelt sich um eine gerade gegenläufige Treppe mit Podest, einem hellen Stein – Stufenbelag mit markierten Vorderkanten und Geländer aus Edelstahl.

Ergebnis der Beobachtungen: Beim Aufsteigen setzte die überwiegende Zahl der Personen den Fuß mit dem Fußballen als Gefühlsleiter etwa in der zweiten Hälfte der Stufe auf. Nie wurde mit der Fußspitze gegen die Setzstufen getreten. Der Personenkreis, der sportlich, schnell und elegant die Treppe in Angriff nahm, brauchte erheblich weniger Kraft, um die Höhe zu überwinden, als die Menschen, die schwerfällig und langsam die Treppe nutzten. In diesem Fall werden die Wadenmuskeln sehr stark beansprucht.

Bei Personen mit schwerem Schuhwerk ist das Gefühl zum Fußballen unterbrochen, und sie steigen schwerfälliger. Ähnlich ist es bei unsicheren, in überwiegender Zahl älteren Menschen (sehr häufig Frauen), die mit dem gesamten Fuß auftreten und sich somit schwer tun beim Besteigen der Treppe, da hierbei auch die Muskel der Oberschenkel mit beansprucht werden. Dies führt zu einer schnelleren Ermüdung. Beim Aufsteigen wird zwar mehr Energie verbraucht, dafür ist das Absteigen gefährlicher. Beim Absteigen ist die Austrittsstufe der Antritt, deshalb soll dieser gut markiert sein. Beim Absteigen war die Bedeutung des Fußballens als Gefühlsleiter noch deutlicher zu erkennen. Menschen mit weichem Schuhwerk und die Gruppe der sportlichen Nutzer setze mit dem Fußballen direkt auf die Stufenkante. Die Personen mit schwerem Schuhwerk und die Ängstlichen setzten den gesamten Fuß auf die Stufen und tun sich beim Absteigen schwer und wirken plump.

Der Blickkontakt zu den Stufen ist eine wesentliche Gehhilfe. Es sind in der Regel nur wenige Sekunden nötig, um den Weg einzuschätzen. Bei einer geraden Treppe wird die erste Stufe ins Visier genommen, um den Fuß platziert aufzusetzen. Die weiteren Stufen werden meist nur beiläufig erfasst, indem der Blick horizontal gerichtet die Stufenvorderkante abtastet.
Anders ist es beim Absteigen. Die Austrittsstufenvorderkante wird mit den Fußballen ertastet, was nur bei genauem Hinsehen möglich ist. Oft wird auch die nächste Stufe noch genau mit Tasten und Sehen eingeschätzt, bis sich ein Rhythmus gefunden hat, nach der dritten – vierten Stufe ist der Blickkontakt zu den Stufen nicht mehr nötig.
Ändert sich die Stufenform, z.B. bei gewendelten Treppen, muss durch weitere Blicke in die Tiefe die Laufrichtung korrigiert werden. Dieser Kontakt kann bei jeder zweiten oder dritten Stufe erfolgen. Eine gewendelte Treppe gilt als gut verzogen, wenn mit verbunden Augen auf- oder abgestiegen werden kann.

In einem Fastfoodlokal, z.B. in dem Gäste mit einem Tablett vor dem Körper eine Treppe benutzen, fehlt der Blickkontakt zu den Stufen. In diesem Fall wird das Steigen sehr erschwert. Das Tablett wird in der Regel vom Oberkörper zur Seite gehalten, so dass der Blickkontakt zu den Stufen wieder hergestellt werden kann.

Hilfe kommt per Hand
Der Handlauf wird etwa von etwa 25% der Treppenbenutzer in Anspruch genommen. Meist sind dies Menschen, die nach Halt suchen oder auch anlehnungsbedürftig sind. Mobile Personen, auch im hohen Alter, machen weniger Gebrauch von dieser Steigehilfe. Auch ist die Beschaffenheit des Handlaufes abhängig von der Verwendung. Stahl- und Edelstahl in kalter Umgebung wird ungern genutzt, ebenso ver¬schmutzte Handläufe.

Zählungen ergaben, daß der Handlauf beim Absteigen häufiger als beim Aufsteigen benutzt wird. Der Griff zum Handlauf erfolgte vor dem Abstieg beim Blick in die Tiefe. Oft wurde der Handlauf wieder losgelassen, sobald die ersten 2 bis 3 Stufen des Abstiegs hinter sich gebracht waren und die Menschen ihren Steigerhythmus gefunden hatten.

Alte Geländer liefern den Beweis, diese Handläufe wurden in der Regel mit Ölfarbe gestrichen, nach einigen Jahrzehnten der Nutzung ist die Farbe dort abgescheuert, wo er am häufigsten genutzt wurde. Es gibt Aufschluss darüber, wo die Mehrzahl der Menschen Halt suchen. Dies ist am Treppenaustritt und in den Wendlungen. In der Wendlung wird der Handlauf auch gerne beim Aufstieg benutzt, um sich hochzuziehen.

Bevorzugt sind vertikale Haltestangen, die sich an gegenläufigen Treppen im Bereich des Zwischenpodestes befinden. Man wendet sich mit Schwung über das Podest dem nächsten Lauf zu.

Eines meiner Betätigungsfelder ist es, in Häusern der Gründerzeit Dachgeschosstreppen einzubauen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, mehrmals monatlich vier bis sechs- geschossige Treppen zu steigen und in diesem Zusammenhang auf ihre Steigefreudigkeit zu untersuchen. Grundlage ist dabei stets der subjektive Eindruck. Überwiegend sind es ½ gewendelte Treppen mit einer Steigung von ca. 16 cm und einem Auftritt von 23,5 ± 1,5 cm liegt. Ist das
Dachgeschoß erreicht, so weiß man es zu schätzen, dass die Planer ein Steigungsverhältnis

wählten, das ein Schrittmaß von nur 55 cm erreicht. Halbgewendelte Treppen haben den Vorteil, dass man sich die Auftrittsfläche aussuchen kann. Werden im unteren Bereich die Außenseite der Stufen genutzt, so sind es im oberen Bereich die inneren.

Griffige Oberflächen
Die Oberflächenbeschaffenheit sollte leicht griffig, nicht zu glatt, waagrecht und eben in der Fläche sein. In der Farbe wird ein Erdton als angenehm empfunden. Die Laufbreite eines Menschen auf der Treppe beträgt ca. 75 cm; bei einer doppelläufigen Treppe dementsprechend 1,50 m. dies ist angebracht in Versammlungsräumen wo sich Menschen auf Treppen begegnen oder nebeneinander Auf- bzw. Absteigen.
Die Proportionen der zu überwindenden Höhe sollten dem Treppenraum angepasst sein. Die Nutzer sollten sich wohl fühlen und bei Gegenverkehr aneinander vorbeikommen.
Auf Holzstufen lässt es sich in der Regel besser steigen als auf Stein, wenn die Oberfläche richtig behandelt ist. Schlecht bei mehrgeschossigen Treppenhäusern sind Teppichböden und PVC-Beläge, wenn diese an der Vorderkante mit einer Aufkantung versehen sind. Ein Licht durchflutetes und ausgestaltetes Treppenhaus, auch mit Blick ins Freie, nimmt Einfluss auf das Steigen.

Steigevergnügen in Barockschlössern

Der Antrittsarm mit der Herrscherin im Hintergrund

Barocktreppe in St. Petersburg. Der Antrittsarm mit der Herrscherin im Hintergrund

Schon außerhalb der Gebäude wird der Besucher auf das eingestimmt, was ihn im Inneren erwartet. Eine mit Bäumen besäumte Allee führt gerade auf das Schloss zu. Die Verspieltheit der Fassade läßt die Spannung anwachsen. Beim Betreten der Eingangshalle wird die überwältigende Größe und Ausgestaltung dieses Empfangsraumes wahrgenommen. Meist sind es mehrläufige Treppen, die zur ersten Etage führen, wo sich der Wohnbereich oder auch der Festsaal befinden. Mit dem Besteigen der Treppe erhält der Besucher die volle architektonische Perspektive auf das Gebäudeinnere. Mit jedem Schritt wird der wechselnde Blickwinkel und die Erlebnisfähigkeit des Gastes schließlich in eine Stimmung versetzt, die zur Vorfreude auf die noch zu erreichenden Räume führt. Der Baumeister wurde hier zum Magier. In solchen Treppenhäusern macht das Steigen keine Mühe.

Laut Prof. Friedrich Mielke ist „das Steigen nicht alleine ein physischer Vorgang, sondern mehr noch ein psychischer.“ Man steigt nicht allein mit den Beinen, sondern mehr noch mit den Sinnen. Augen, Ohren und Nase steuern die Bewegung, die Richtung, das Tempo, das Streben und das Zögern, kurz das was wir Steigeverhalten nennen.

Das Feng Shui der Treppen
Feng Shui ist eine alte chinesische Wissenschaft und Kunst, Häuser so zu bauen und Räume so einzurichten, dass sich ihre Bewohner darin wohl fühlen. Zusammen mit unseren Wohnwissenschaften wie der Wohnpsychologie, Ergonomie und Baubiologie und anderen ist nach meiner Ansicht Feng Shui eine Bereicherung für unsere Wohn- und Arbeitskultur.

Feng Shui zeigt Parallelen zur Architekturkunst der Barockzeit, z.B. sollte die Eingangstür gut sichtbar, freundlich, möglichst interessant gestaltet, einladend und nicht versperrt sein. Sie kann durch Blumen und Pflanzen gesäumt sein. Früher galt,

der erste Anblick soll der Beste sein. Negativ wird empfunden, wenn Hausnummer und Name fehlen, die Mülltonnen als erste den Blick auf sich ziehen. Aufgeräumte Räume sind Voraussetzung für das Leben nach der Lehre Feng Shui.
Attraktive Kurven, warme Materialien
Von den Gestaltern werden sanfte Kurven, das bedeutet gewundene Treppen favorisiert. Die Stufen sollten so verzogen sein, dass die Treppe blind bestiegen werden kann. Beim Auf- oder Absteigen soll ein erhabenes Gefühl entstehen, um den Benutzer von der Anstrengung abzulenken. Die Stufen sollten ein Gefühl der Sicherheit geben, das bedeutet auch ausreichende Dimensionen und mit Setzstufen versehen. Gitterroste und Glas sollten vermieden werden. Treppengeländer dienen der physischen Sicherheit. Sie sollten nicht zu transparent gestaltet sein, um kein unsicheres Gefühl aufkommen zu lassen. Materialien wie Stahl, Glas und Stein als Handlauf sollten vermieden werden, da diese kalten Gegenstände sich unangenehm anfühlen. Die Kanten sollen gebrochen oder besser noch gerundet sein. Gerade Treppen sollten nicht zu planen werden, da diese beim Steigen ermüden und keine Abwechslung bieten; Angstzustände können beim Abstieg entstehen, wenn sich der Blick direkt in die Tiefe zum unteren Geschoß richtet. Bisher bestellten ca. 5% meiner Kunden ihre Treppe nach der Feng Shui Lehre. Die Tendenz ist steigend.

Schlanke und leichte Formen waren in den letzten Jahren angesagt. Wangen in Stahl mit geringen Querschnitten, Holzstufen mit einer Stärke, die 2 cm möglichst noch unterschreiten sowie Stufen aus Glas, mattiert und durchsichtig, lagen im Trend. Als ich dann bei einer von mir gebauten Treppe vom 2. Stock durch die Stufen in den Keller sehen konnte, war die Schallgrenze für mich erreicht. Zum Teil lief man diese Treppe, als hätte man Eier unter den Sohlen. Die Beschäftigung mit den Feng Shui Lehren veranlasste mich wieder zur Rückkehr zu nicht zu waghalsigen Formen.

Erdstrahlen – feste Fakten oder fauler Zauber
Unter unserer Erdoberfläche gibt es verschiedene Bodengesteine wie Granit, Basalt, Schiefer, Quarz; bei Verschiebung von Erdschichten ergeben sich Brüche in diesem Gestein. Sie können mehr oder weniger weit auseinander klaffen. Weiterhin wissen wir, dass fast alle Hohlräume mit Wasser (Grundwasser bzw. sogenannte Wasseradern gefüllt) sind. Dieses Wasser kann mehr oder minder fließen. Mit einer Wünschelrute können solche Wasseradern entdeckt werden. Wasser ist ein empfindlicher Informationsträger und nimmt Energie aus dem Boden in Form von radioaktiven Teilchen auf. Je schnelleres fliest, um so mehr Energiepartikel reiß es an sich. Der hierbei entstehende zellkernerregende Zustand bewirkt eine Strahlung senkrecht nach oben.

Herr Joachim Lang, ein Mitglied unserer Gesellschaft für Treppenforschung, betreibt Radiaesthesie. Er belegte uns öfters, dass Kreuzungspunkte von Wasseradern unter Treppenanlagen zu finden sind. Der rechts drehende Auftrieb soll den Nutzer beim Steigen positiv beeinflussen. Sicher fällt es manchem schwer, an solche Kräfte zu glauben. Hierzu möchte ich folgendes berichten: Ich erhielt 1988 den Auftrag, im Schloß Andreae Königstein im Taunus (erbaut in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts) die Haupttreppe vollständig zu erneuern. Es handelt sich um eine zweiläufige Treppe mit zwei Eckpodesten. Die Treppe überwindet 13 Höhenmeter. Während der Bauzeit fiel mir auf, dass es mir leicht fiel, diese Höhe mühelos zu überwinden. Der Wünschelrutentest an dieser Stelle war positiv. Ein befragter Geologe vermutete, es könne Gesteinsverwerfungen sein, die diese Strahlung

hervorrufen. Unterschiedlich elektrisch geladene Gesteinsschichten stoßen in der Gesteinsverwerfung aneinander und bilden elektrische Spannungsfelder und damit Erdstrahlung. An dieser Jahrhunderte alten Erkenntnis ist sicherlich etwas Wahres; zu Beginn des Industriezeitalters war der Rutengänger eine angesehene Person.

Resümee
Die Baumeister der Barockschlösser und die Lehre Feng Shui zeigen Parallelen, die uns nicht gleichgültig sein sollten. Nun liegt es an den Treppenplaner und Treppenbauer, im Treppenhaus eine Atmosphäre zu schaffen, die den Benutzer günstig beeinflusst und die Anstrengung vergessen lässt. Dazu gehört auch, den Menschen durch ein erhabenes Gefühl beim Auf- oder Absteigen im Unterbewusstsein zu beeinflussen; d.h., der Benutzer soll sich wohl fühlen (spanische Treppe in Rom).
Das Steigungsverhältnis, das Blondel im Jahr 1683 errechnete, ergibt ein Schrittmaß von 65 (inzwischen geht man von 63 aus). Es sollte bei Treppen über 2 bis 3 Etagen angewendet werden. Darüber hinaus sollte das Schrittmaß reduziert werden.

Das  Schrittmaß

Um ein häufig angenommenes Schrittmaß von 75 cm auf die Rich­tigkeit in der Praxis zu überprüfen, ließ ich 30 Personen zwischen 9 und 91 Jahren, deren Körpergrößen zwi­schen 1,48 und 1,95 m liegen, eine ebene Strecke von 22,5 m zurückle­gen.

Das durch­schnittliche Schrittmaß lag bei 78,5 cm, wobei ein 30jähriger Mann mit einer Körpergröße von 1,85 m den längsten Schritt mit 90 cm machte. Mit dem kürzesten Schritt von 53 cm legte die 91jährige 1,48 m große Frau die Strecke zurück.

Anschliessend stiegen die Personen eine geradläufige Treppe. Trotz der zuvor festgestellten erheblichen Schrittlängendifferenzen empfanden die Personen das Steigungsverhältnis von 18,5/26 cm als bequem. Daraus läßt sich schließen, dass die Formel von 2 x Steigung + 1 x Auftritt = 63 cm fast immer anwendbar ist. Bei steileren Treppen verkürzt sich das Maß, bei flacheren Treppen vergrössert es sich.

1 Abb. 1

Prüfung des Schrittmaßes durch Personen unterschiedlicher Größe und unterschiedlichen Alters

1 Abb. 2b Tr. Steigen Ute

Prüfung des Steigungsverhältnisses

 

Die Steigespur

 Ein Beispiel von einer Vielzahl von Treppen,  die nicht zerstört wurden, befindet sich in der Martin-Luther-Str. in Frankfurt/M., Baujahr 1909.

Das Wohnhaus besteht aus vier Stockwerken. Die dargestellte Treppe führt vom EG zum 1. OG. Die Laufbreite beträgt 112 cm, mit einem Steigungsverhältnis  vom 17,5 x 24 cm. Die erste Stufe besteht aus Sandstein, der mit PVC belegt ist.

Fünf Familien nutzen das Treppenhaus, wobei die erste Treppe von allen Parteien genutzt wird. Aus der Übersicht ist zu erkennen, daß der untere Teil der Treppe stärker abgetreten ist als der obere. Dies ist dadurch zu erklären, dass der Nutzer noch Straßenschmutz an den Schuhen hat, der sich auf den ersten Stufen abtritt und für einen starken Abrieb sorgt. In früheren Zeiten, als man noch genagelte Schuhe trug, wurde das Holz noch stärker strapaziert als heute.

An dieser Treppe und an zwanzig weiteren Bürgerhäuser aus dem 19. und 20. Jahrhundert konnte ich feststellen, das sich Eichenholzstufen, durchschnittlich von vier bis fünf Parteien genutzt, innerhalb von 10 Jahren nur 1 mm abtreten, dass heißt, innerhalb den letzten 100 Jahren, so alt sind viele der Häuser, sind die Stufen um etwa 1 cm abgetreten. Sind die Treppen mit einem Auftritt von über 26 cm ausgestattet, ist der Abrieb um 3-4 mm geringer, da die Vorderkante nicht so sehr strapaziert wird. In der Regel ist der Fußballen der Gefühlsleiter und beim Absteigen der Treppe, wenn man sie gewohnt ist, ertastet man die Stufenvorderkante  und steigt mit Schwung ab, in meinem Fall wird die Kante mit  100 kg belastet.

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Grundriss EG Martin-Luther-Straße, Frankfurt /M

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Darstellung der Abnutzung nach Mielke

1  abriebstäkster Punkt im Stufenbereich

2  Steigelinie

3  Steigebereich

Untersuchen wir die Steigespur, das heißt, den tiefsten Punkt an den Stufen, so können wir davon ausgehen, dass an diesem Punkt die meisten Menschen auf und ab gestiegen sind. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die Lauflinie, die theoretisch angenommene Linie, ohne dessen Grundlage kein Treppenplaner  eine Treppe zeichnen kann, so liegen die zwei Linien weit aus einander. Es ist damit zu erklären, das der Treppennutzer von der rechten Seite kommt, weil sich dort der Hauseingang befindet und die Menschen sich einen Punkt aussuchen, den sie ansteuern. In diesem Fall ist dies die Abschrägung in der Mauer, danach gibt es eine Wendung nach rechts unter Zuhilfenahme des Handlaufes im Bereich des Krümmlinges. Durch diesen Schwung wird der Nutzer im Bereich der 13. und 14. Stufe etwas näher an den Handlauf gebracht. Von dort steuert er die nächste Wandfläche an, diese liegt im Bereich der 16.ten Stufe, danach konzentriert er sich auf den Austritt und die Richtung, die er danach ansteuern will.

 

Verfasser: Wolfgang Diehl (2002)