Laurin-Treppe Sinustreppe

Laurin-Treppe  Sinustreppe

Ist sie eine Erfindung einer neuen Art von Treppe, um die Höhe zwischen Geschossen eines Gebäudes zu überwinden?

Da Treppen und treppenähnliche Gebilde schon seit ein paar Jahrtausenden gebaut werden, ist es seit alters her für den Baumeister und Handwerker ein ungeschriebenes Gesetz, die Stufen mit gleichen Steigungen und Auftritten herzustellen, wenn auch mit fertigungsbedingten Toleranzen.

Im späten Mittelalter versuchte man, die Treppen mit einer größeren Exaktheit herzustellen. A. Palladio schrieb 1581 in seinem ersten Buch über Treppen „I quattro Libri della architettura“ die Stufen sollen nicht höher sein als 6 duim (15 cm). Je flacher desto besser, da beim Hochgehen die Füße müde würden. Aber sie dürften nie niedriger sein als 4 duim (ca. 10 cm). Die Breite der Stufen sollte nicht weniger als 1 Fuß (ca.30 cm und nicht mehr als ½ Fuß (ca.45 cm) sein. Die Anzahl der Stufen müsse ungleich sein: Da man den rechten Fuß zuerst auf die Treppe stellt, hört man mit dem rechten Fuß auf. Es dürfen höchstens 13, mindestens aber 11 Stufen sein.

Etwa 100 Jahre später (1675-1683) erscheint das Buch über die zivile Baukunst „Cours d/ architekture“  von Francois Blondel. Der französische Ingenieur, Mathematiker und Architekt hat das Steigen von Treppen in die von uns bekannte Formel gebracht: 2s+a = zwei französische Fuß = 65 cm.

Im 20. Jahrhundert darf eine Treppe entsprechend den Bau-Ordnungen und der internationalen Normungen keine unregelmäßigen Stufenhöhe aufweisen. Auch die Auftritte müssen gleich tief sein. Das Steigungsverhältnis einer Treppe soll sich in der Lauflinie nicht ändern.

Durch den Einsatz von Computern im Treppenbau zur zeichnerischen Darstellung mit sekundenschnellen Wangenabwicklungen und Perspektiven, können Fehler schon im Ansatz vermieden werden. Auch die computergesteuerten Fräsmaschinen können einzelne Treppenteile, Wangen, Stufen und Geländer von solcher Präzision herstellen, wie man das vorher nur aus dem Maschinenbau kannte.

Sollte das die Vollendung der Baukunst sein?

„ Ihr Europäer“, sagt der Pueblo-Indianer, „Ihr Europäer seid verrückt. Ihr denkt immer nur mit dem Kopf.“ Der Psychologe C.G. Jung wunderte sich: „Und womit denkt Ihr?“. „Mit dem Herzen.“

Werner Bäumler-Laurin ein gelernter Schlosser und Silberschmied, der sich mit Architektur beschäftigte und die letzten 30 Jahre künstlerisch tätig war, ausgerechnet ein solcher Außenseiter hat mit einer gewissen Hartnäckigkeit versucht, einen neuen Treppentyp zu schaffen. Wenn man Werner Bäumler-Laurin kennt, weiß man, dass er mit dem Herzen entwirft und mit viel Fantasie denkt.

Gestützt durch die Blondelschen Formeln und deren mathematischer Grundüberlegung entstand eine Pro- und degressive Steigung. Es gibt Fälle im menschlichen Leben in denen diese Art Treppe sich als eine ideale Höhenüberwindung anbietet. Ohne dass Bäumler-Laurin das Beispiel kannte, folgte er den Spuren des italienischen Architekten Giuseppe Mono, der 1929- 1932 eine doppelte Spiraltreppe als Aufstieg zu den Vatikanischen Museen in Rom gebaut hat. Das Steigungsverhältnis  Innenseitig am Antritt beträgt 17/27 cm, auf der 263 cm breiten Treppe, Außenseitig 17/53 cm.  Nach insgesamt 70 Stufen verringert sich die Steigung auf 4,5 cm, Auftritt Innen 84 cm-Außen 128 cm. Der Gedanke von Giuseppe Mono war, das die Energie beim Steigen einer Treppe nachlässt.Um diesen Phänomen vorzubeugen veränderte er den Steigemodus in den Schrittmodus.

Werner Bäumler-Laurins Gedanken waren eine Treppe zu besteigen wie ein Hügel. Man kommt aus der Ebene mit leichtem Anstieg zur Steile und wieder der Übergang zur Ebene. In Linienform ergibt dies eine Sinuskurve. Das Steigungsverhältnis der Stufen ist immer auf das Schrittmaß von 63 cm bezogen.

Zur Zeit ist sie als nicht notwendige Treppe möglich.

 

Die Treppe mit den Maßangaben des Steigungsverhältnis

 

Ein Treppenmodel aufgebaut im Garten des Bundesbauministeriums 1992 in Bonn, Deichmanns Aue

Ein Treppenmodel aufgebaut in der Bauhausanlage von Dessau, mit dem Versuch die Treppe im Laufschritt mit Erfolg zu besteigen

Eine Treppe zum Gartenabgang in Wellenheim – Konstein, Bayern

Verfasser: Wolfgang Diehl 2017