Historismus ~1820 – 1910/40

 Ausklang und Neuorientierung zum Historismus

Mehr als ein Jahrtausend war die gesellschaftliche Ordnung festgelegt. Es gab das Machtzentrum der kirchlichen Gewalten und die patriarchalische Ordnung der weltlichen Landesherrn und ihrer Leibeigenen. Im Barock war diese Ordnung zur Reife gediehen, Kirchen, Klöster, Schlösser und Bürgerhäuser hatten für sich, für ihre Bedürfnisse, ganz bestimmte und festumrissene Formen der Zweckbestimmung und Symbolik herausgebildet, die der gleichen Ordnung unterlagen wie das gesellschaftliche Leben im Staat.
Pierre Patte hat sich 1765 in seinen „Monuments érigés en France à la gloire de Louis XV.“ über diesen Grundsatz geäußert: Es gehört sich in der Tat nicht, dass die Häuser einfacher Privatpersonen, so reich sie sein mögen, in Bezug auf Pracht die Wohnungen des höchsten Wesens, der Fürsten und Minister erreichen oder gar übertreffen.
Die im 18. Jhd. vorbereitete und im darauffolgenden Jahrhundert offen zutage tretende Umwälzung der gesellschaftlichen Schicht zerstörte diese bisher selbstverständliche Sicherheit und Zuordnung. Man hatte deshalb kein Verhältnis mehr zu den ehemals geläufigen Bedeutungen der Symbole und übernahm auf dem Gebiet des Treppenbaues die bis dahin verarbeiteten Grundrisse und Formen ohne eine Beziehung zu ihrem Gehalt zu haben, der in seiner Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stand, zu einer genau umschriebenen Aufgabe begründet liegt.
Goethe hatte diese Werte sehr deutlich empfunden. Am 6. Juni 1825 schrieb er an Zelter: »…Reichtum und Schnelligkeit ist, was die Welt bewundert und wonach jeder strebt; Eisenbahnen, Schnellposten, Dampfschiffe und alle möglichen Fazilitäten der Communication sind es, worauf die gebildete Welt ausgeht, sich zu überbieten und dadurch in der Mittelmäßigkeit zu verharren…«
Im Wetteifern um Geltung und Kulturschaffen versuchte der Dritte Stand es den kirchlichen und weltlichen Machtzentren gleichzutun. Obwohl als Parvenüs belächelt, als Emporkömmling bezeichnet, gelang es den demokratischen Kommunen mit dem Bau von prachtvollen Rathäuser, imposanten Justizbauten, Bibliotheken, Museen, Theater und Schauspielhäusern, ihren Stand zu behaupten und zu festigen.

Architektur des Historismus

1.  Anhänger des Historismus wollten möglichst „stilrein“ entwerfen und bauen, z.B.

Neoromanisch: Schloss Neuschwanstein
Neogotisch: Burg Hohenzollern
Neorenaissance: Städel Museum Frankfurt am Main
(Diesen Baustil verwandte man gern für Schulen, Banken, Museen und andere bürgerliche und profane Bauten)
Neobarock: Deutsches Schauspielhaus Hamburg

Neorenaissance, Städel Museum Frankfurt am Main

Neorenaissance, Städel Museum Frankfurt am Main. Bauzeit: 1878. Architekt: Oskar Sommer

2. Anhänger des Eklektizismus wollten sich keinem bestimmte Stil unterwerfen und mischten alle Stilrichtungen nach Belieben und Geschmack miteinander. Das führte in der Gründerzeit oftmals zu einem Durcheinander sämtlicher bis dahin bekannter Stil- und Dekorelemente.
Z.B: Justizpalast Brüssel
Glasscherbenvilla Passau
Wasserturm Dessau

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Wasserturm Dessau. Bauzeit: 1896 – 1897. Architekt: Stadtbaumeister Paul Engel. Bauhöhe 63,50 m

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 „Glasscherbenvilla“in Passau. Bauzeit 1902-03. Architekt: Aristide Ostuzzi. Die im bereich des EG. angelegten Steifenartig angelegten Bildnisse bestehen aus farbigen Glasscherben sowie Teller, Krügen und Vasen und Bruchstücke von Christus- und Heiligenfiguren.  

 

Literatur: Treppen der Welt, Friedrich Mielke, Konstein 2011
Verfasser: Wolfgang Diehl 2016