Eisen-Stahl-Guß
In unserer Zeitrechnung datiert die Bronzezeit von 1500 bis 800 v. Chr. Metallarbeiter entdeckten, dass sie mit 10 % Zinn und 90 % Kupfer- gemisch ein zähes, aber hämmerbares Metall herstellen konnten, aus dem Waffen, Beschläge, Schalen und Krüge hergestellt wurden. Die Metalle für diese älteste Legierung kamen aus Spanien und Ungarn. Später entdeckte man in Großbritannien Zinn.
Der entscheidende Fortschritt in der Metallurgie wurde in England mit dem 17. und 18. Jahrhundert eingeleitet. Darby gelang es 1709 mit ei- nem Hochofen, der mit Koks-Kohle beheizt wurde, feines Gußeisen in großen Mengen herzustellen.
Henry Cort entwickelte mit seinem Hochofen und einem Walzwerk Schmiedeeisen zu einem günstigen Preis. Damit war das Industriezeitalter eingeleitet.
Anfang des 19. Jahrhunderts nahm das Material Einfluß auf das Bau- geschehen. Dieses Jahrhundert kann man auch „technisches Zeitalter“ nennen. Eine industrielle Revolution kam in Gang, deren maschinelle Fabrikation jede menschliche Geschicklichkeit beschämt.
Eiffelturm, erbaut 1889 Eiserne Steg, Frankfurt erbaut 1869
Um 1800 entstand das neue Berufsbild des Ingenieurs, das sich von dem des Baumeisters unterschied. Mit dem Bau von technischen und industriellen Anlagen, bei denen es nur auf Zweckmäßigkeit und nicht auf äußere Schönheit ankam, hatte diese Berufsgruppe schnell ihre Daseinsberechtigung.
In London entstand zur Weltausstellung 1851 der Kristallpalast mit einer Größe von 540 x 140 m. Das Eisengerüst wurde mit Glasscheiben geschlossen, die Bauzeit betrug nur neun Monat Man erinnere sich an den Eiffelturm von 1889 mit einer Bauhöhe von 300 m, der zur Weltausstellung errichtet wurde.
Zahllose Brücken in Eisenskelettbauweise entstanden in diesem Jahrhundert. Solche Eisenskelettbauweisen zu bauen sparte Zeit und Zeit- ersparnis hieß Kostenersparnis. Ebenfalls in dieser Ära entstanden in New York und Chicago die ersten Hochhäuser in Stahlkonstruktion. 1857 installierte Otis den ersten Personenaufzug.
Ein Großteil der Bevölkerung empfand das neue Material als nackt und häßlich und wurde nur als statisches Beiwerk eingesetzt. Die Verklei- dung mit Steinen und Putz war die Regel. Die sogenannten Gründerjahre brachten nochmals einen Rückschritt. Die Menschen hatten viel Geld und zogen die Vorbilder der Romantik der modernen neuen Formensprache vor.
Leuchtturm, Kap Arkona, Rügen Spindeltreppe, Leuchtturm Kap Arkona
Treppen aus Gusseisen
Der Baumeister Karl Friedrich Schinkel, 1781 bis 1841, hatte auf seiner Englandreise 1826 Anregungen erhalten, Treppen in Eisen zu bauen. Noch im gleichen Jahr baute er am Kap Arkona auf Rügen den ersten modernen Leuchtturm mit der wahrscheinlich ersten Treppe aus Gusseisen in Deutschland. Vom EG bis 2. OG setzte er vier halbgewendelte Treppen mit je 15 Steigungen und einem Steigungsverhältnis von 18,5 x 26 cm ein. Vom 2. OG bis in die verglaste Spitze des Leuchtturmes vervollständigte er die Treppenanlage mit einer Spindeltreppe, der Durchmesser beträgt 1,26 m, die Steigung 19,5 cm.
Großes Aufsehen erregte Schinkel mit dem Palais des Prinzen Albrecht in Berlin 1830, er machte damit die gusseiserne Treppe in Deutschland hoffähig. Es folgte eine weitere Wendeltreppe 1838 auf Rügen im Jagdschloss des Fürsten Potbus.
5-läufige Treppe, Prinzen Albrecht Palais
Verschiedene Eisenwerke spezialisierten sich auf diesen neuen Geschäftszweig, fertigten Treppen in Serie, vornehmlich Spindeltreppen mit einem Durchmesser von 1,20 m bis 2,50 m. Die Preise wurden pro Stufe gerechnet. Weiterhin wurden aufgesattelte Treppen, Wangentreppen, Kragstufen mit Bolzen auf der Freiseite angeboten.
gerade gegenläufige Treppe, Frankfurt
Seit ca. 1870 wurden die Walzeisenpreise erschwinglich, somit fand die schmiedeeiserne Treppenwange ebenso starke Bedeutung. Die Trittstufen wurden in der Regel mit geometrischen Mustern versehen, die Setzstufen erhielten eine ähnliche Gestaltung. Die Öffnungen in den Trittstufen erzeugten bei den Damen ein Schamgefühl, daraufhin wurde der Belag teilweise in Holz gewählt. Die Formensprache sehr kunstvoller standardisierter Geländerstäbe entstammt dem Schatz historischer Freiheit. Sie verdeckt die technischen Eigenheiten.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es in den neuen Bundesländern von Deutschland drei Industriehersteller von gußeisernen Treppen. Diese Art von Treppen stieß auch im Ausland auf große Nachfrage z.B. in Ägypten und Brasilien. (Entnommen der „Diplomarbeit Dagmar Menzel Cottbus“.)
Treppengeländer, Kaiserkracht, Amsterdam, um 1752
Jugendstil, Geländer, Wandbemalung, Riga Lettland, Anfang 20. Jh.
Nachdem Guss und Eisen durch die industrielle Herstellung erschwinglich wurde, nahmen im 19. Jahrhundert Baumeister und Ingenieure dieses Material an und formten es trotz Widerstands aus der Bevölkerung zu Treppen. Die gusseisernen Treppen hatten gegen Ende des Jahrhunderts ihren Höhepunkt.
Die Eisen- und Blechtreppen, vornehmlich mit Holzbelag, hatten in verschiedenen Städten ebenfalls einen großen Absatz, allerdings begünstigt durch die Brandauflagen der Bauämter.
Im Jugendstil entwickelte sich eine organische Formensprache mit filigranen Elementen. 1906 wird das Weimarer Bauhaus gegründet, 1907 der Deutsche Werkbund. Sie schrieben sich auf die Fahne, mit einfachen Formen zu arbeiten, um schöne Verhältnisse zu erzielen.
Der amerikanische Architekt Sullivans prägte 1896 den Ausdruck „Form follows function“ (FFF – Form folgt Funktion). Dieser Spruch formte nicht nur die Architekten des Deutschen Werkbundes, sondern er begleitet bis zum heutigen Tag große Teile des Bauwesens.
Wendeltreppe, erbaut von Fa. Spreng, Schwäbisch Hall 1965
Spindeltreppe in Edelstahl, Oberursel 2007
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Mit Ende des Zweiten Weltkrieges wuchs auch die Anforderung an neues Denken in der Architektur. Die Statik nahm mehr Einfluß auf die Architektur, die Materialien zu minimieren, das technisch Möglichste zu erzielen und dennoch die Gestalt wirken zu lassen.
Neue Formen entstanden: in der Anfangszeit wurden Holme gerne unter den Stufen angeordnet. Es entstanden Hängetreppen, Wangentreppen mit Stein, Holz, später auch Blechstufen, Bolzentreppen, handlauftragende Treppen, Einwangentreppen mit auskragenden Stufen oder auch gefaltetes Blech in Form von Tritt- und Setzstufen.
Mit Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts wurde Edelstahl finanziell erschwinglich. Durch den höher vergüteten und nichtrostenden Stahl fanden noch filigranere Formen Einzug in das Bauwesen. Die Oberflächen variieren von matt geschliffen oder gebürstet bis hochglänzend. Als Geländerfüllung haben Edelstahlseile ihren Platz gefunden.
Eine der bekanntesten ältesten Treppen mit tragenden Eisenstäben und Holzstufen – eine Zwillingswendeltreppe in einer Bibliothek – steht im Kloster Vorau Österreich, erbaut etwa 1625. Die handgeschmiedeten Eisenstangen haben eine Dicke von 26-28 mm Durchmesser, diese durchdringen die Stufen in Nussbaum, die eine Dicke von 30 mm aufweisen. Die Laufbreite misst etwas mehr als 1,00 m. Die Steigung beträgt im Durchschnitt ca. 20 cm.
Abb. 22: Zwillingstreppe im Kloster Vorau, Österreich
Verfasser: Wolfgang Diehl (2008)