Renaissance ~1520 – 1660

Die Wendeltreppe
Seit der Renaissance sind Wendeltreppen mit Treppenauge allgemein beliebt. Mit dazu beigetragen hat der italienische Architekt Andrea Palladio (1508 – 1580), der nicht nur diesen Treppentyp plante und in etlichen oberitalienischen Gebäuden einbauen ließ, sondern auch ausführlich in seinen Büchern beschrieb.
Sowohl aus konstruktiven wie auch aus gestalterischen Gründen muss man zwischen Wendeltreppen mit und Wendeltreppen ohne Hohlspindel unterscheiden.
Eine Hohlspindel ist eine gewundene Freiwange, die das Zentrum der Wendelung räumlich umschließt. Sie bildet ebenfalls ein Auge, doch tangieren die Enden der Stufen das Auge nicht direkt. Zwischen den Stufen und dem Auge befindet sich die Hohlspindel, die bei hölzernen Treppen als selbstständiges Element – als Freiwange – ausgebildet werden kann. Bei steinernen Treppen ist die Hohlspindel in der Regel nur formal selbstständig, nicht konstruktiv. Sie ist in jeder Stufe an- oder eingearbeitet, so dass ihre Höhe eine Steigung ergibt – vergleichbar mit den Zylindern einer massiven Spindel.
Der Charakter einer Hohlspindel ist in erster Linie dekorativ. Als man anfing die Außenwände zu öffnen und die Treppe somit belichtet wurde, stieg die Gestaltungsfreude ins Unermessliche. Durch einen mitführenden Handlauf im Treppenauge der durch Säulchen getragen wurde, war die Vollendung der Architektur und des handwerklichen Könnens in dieser Epoche erreicht.
Es gibt in Europa kein anderes Land, in dem so viele Hohlspindeltreppen – mit und ohne Wangensäulchen – angefertigt wurden wie in Deutschland.
Schloß Hartenfels, Großer Wendelstein, Torgau Sachsen,
Prunktreppe

Der Treppenturm steht auf einem Altan, zu dem eine zweiläufige gerade Treppenanlage mit je 30 Stufen führt. Die Stufen im Turm sind um eine Hohlspindel gewunden und ihre konkav geschweiften Stufen haben eine Höhe von 19,5 cm.
Die Verziehung der Stufen und die Profilierung auf der Stufenunterseite sind so perfekt gelöst, dass dies ein überragendes Können voraussetzt.
Beim Anblick des Treppenturms drängen sich unweigerlich folgende Gedanken auf:
Sind die riesigen, durch alle Geschosse reichenden Öffnungen Kirchenfenster? Die Überlegung ist nicht abwegig, denn Johann Friedrich war seit 1520 ein Förderer und Gönner Martin Luthers und ein leidenschaftlicher Verfechter der Reformation.
Ist der, wie ein Chor in einer Kirche aufragende Treppenturm eine Art Wahrzeichen des Bauherrn?
Ist der ganze Neubau im Sinne des Reformators „ein´ feste Burg“? Oder diente der luftige Aufstieg nur dem „Sehen und Gesehen werden“, wenn der Kurfürst zu Geselligkeit und Spiel einlud.
Eine derartige vertikale Struktur für Treppentürme ist einmalig.
Die Wächter an den Aufgängen, zusammen mit den Reliefs vom Löwenbezinger Samson und dem Goliathbesieger David, symbolisieren die Verteidigung des neuen protestantischen Glaubens und der darauf beruhenden kurfürstlichen Machtposition gegen (ihre) Feinde.
Lucas Cranach, ab 1505 Hofmaler am kurfürstlichen Hof, war verantwortlich für die Ausmalung der Räume auf Schloss Hartenfels.

Schloß Hartenfels, Großer Wendelstein, (die Schloßanlage wurde in diesen Jahrzehnt restauriert).

Schloß Hartenfels, Großer Wendelstein, (die Schloßanlage wurde in diesen Jahrzehnt restauriert).

Aufsicht des letzten Treppenlaufes

Aufsicht des letzten Treppenlaufes

Treppenuntersicht mit Treppenauge von 37 cm

Treppenuntersicht mit Treppenauge von 37 cm

Bauherr: Johann-Friedrich I. (1503-1554),
Herzog von Sachsen
Baumeister: Konrad Krebs von Büdingen (1492- 1540)
Bauzeit: 1533-1536
Die Turmtreppe
1.Lauf: 24 Steigungen
2. Lauf: 27 Steigungen
Durchmesser: 425 cm; Auge:37 cm
Laufbreite: 153 cm
Steigung: 19,5 cm
Das Kernstück von Schloss Hartenfels ist ein Festsaal mit einer Länge von 53 m und einer Breite von 11 m. Zu ihm führt eine Wendeltreppe, die alle Paradetreppen ihrer Zeit an konstruktiver Kühnheit und künstlerischer Eleganz übertriff.

Rathaus, Frankfurt am Main, Treppenaufgang Hofseite

Bauzeit: 1627 Renoviert 1951
Durch die Auflösung der Außenwände bei Wendeltreppen entsteht ein statisches Risiko, denn die Stufen müssen auf der Außenseite getragen werden. Da es schon mehrere Vorgängermodelle gab, konnte der Baumeister diese Erfahrung nutzen und die Wangen so schlank wie möglich auszuführen.
Bis zum Mittelalter gab es keine Handläufe. Oft hatten die Treppen eine Laufbreite von weniger als 100 cm, Treppenschächte waren eng und selbst bei einem Sturz konnten die Menschen sich an den Außenwänden oder Säulen festhalten.
Mit zunehmendem Wohlstand wurden die Treppen breiter, Zierprofile wurden an Säulen und Wänden angebracht. Menschen, erfinderisch wie sie nun mal sind, hielten sich daran fest – der Handlauf war geboren.
Es ist anzunehmen, dass auf der Albrechtsburg in Meißen die ersten Handläufe auf der Freiseite gefertigt wurden.

Renaissance- Treppenturm im Römerhöfchen

Renaissance- Treppenturm im Römerhöfchen

Wandhandlauf am Treppenaustritt

Wandhandlauf am Treppenaustritt

 

 

 

 

Treppenaufsicht

Treppenaufsicht

Santiago de Compostela, Spanien
Convento Santo Domingo de Bonaval,
(dreiläufige Wendeltreppe)

Warum der Baumeister eine dreiläufige Treppe anfertigte, ist nicht bekannt, sie ist einzigartig in Europa. Um eine Treppenkonstruktion mit einem derartig großen Treppenauge herzustellen, bedarf es einer umfänglichen Erfahrung. Wollte der Baumeister einen Bezug zur Heiligen Dreifaltigkeit herstellen? In den Minaretten des Osmanischen Reiches sind auch dreiläufige Treppen gebaut worden, die aber bei weitem nicht solche Ausmaße hatten.
Ein Treppenlauf führt zur Klausur und den Wohnräumen, der anderer zur Aussichtsplattform in der Turmspitze. Der Dritte Lauf hat keine feste Bestimmung.Literatur:

Fotografiert von unten nach oben

Fotografiert von unten nach oben

Durch die Überschneidungen der Geländer gibt es interessante Perspektiven

Durch die Überschneidungen der Geländer gibt es interessante Perspektiven

Bauherr: Erzbischof Monroy
Baumeister: Domingo Antonio de Andrade
(1639 – 1712)
Bauzeit: 1695 – 1699
Gehäuse Ø: 540 cm
Laufbreite: 166 cm, 154 cm
Auge: 184 cm, 208 cm
Steigung: 19 cm
Auftritt: Innen 19 cm, Außen ~41 cm

Hohlspindeltreppen mit Wangensäulchen
Albrechtsburg, Fürstentreppe Meißen – Sachsen

Für die Treppe wählte Meister Arnold die komplizierteste Konstruktion seiner Zeit. Obwohl selbsttragende Stufen schon seit dem 13. Jhd. in Deutschland bekannt waren, ließ er alle Tritte von steigenden Zellengewölben tragen, die von der Wange des Auges und 3 sechskantigen Säulchen gestützt werden. Gewölbe und Stufen sind konstruktiv voneinander unabhängig. Die Zwischenmauerung erlaubt eine freie Disposition der Tritte und ermöglicht deren Schweifung, die wechselnd konkav und konvex ist.
Eine hervorragende Leistung für die damalige Zeit ist die Verziehung des Handlaufes. Einen dreidimensional gewölbten Handlauf mit seinen Profilen herzustellen bedarf heute noch allerhöchstes Können, das nicht viele Treppenbauer beherrschen. Die Fachbezeichnung für das Anreißen eines Wangen- oder Handlaufkrümmlings heißt „Vergatterung“
Eine weitere Besonderheit ist das Durchdringen der Säulchen an Wange und Handlauf.

Die Verziehung des Handlaufes ist ein hanwerkliches Können, das damals wie heute nur wenige Handwerker beherschen

Die Verziehung des Handlaufes ist ein hanwerkliches Können, das damals wie heute nur wenige Handwerker beherschen

Übergang von Treppe und Stockwerk

Übergang von Treppe und Stockwerk

Wörtlich gesehen bildet die Treppe einen "Krönenden Abschluss"

Wörtlich gesehen bildet die Treppe einen „Krönenden Abschluss“

Bauherrn: Ernst und Albrecht von Wettin
Baumeister: Arnold von Westfalen (um 1425-1481)
Bauzeit: 1471-1485
Durchmesser: 572 cm, Auge 86 cm
Laufbreite: 265 cm
113 Stufen: Steigung 20 cm
Material: Sandstein

Isenburger Schloss, Offenbach am Main

Das Schloss, 1559 fertig gestellt, brannte aber schon 1564 völlig nieder. Der Wiederaufbau folgte mit einem ähnlichen Grundriss kurz darauf. Die zur Südseite der Stadt gerichtete Seite hat eine aufgelockerte Renaissancefassade mit Bogengängen zwischen zwei Treppentürmen. Die dem Main zugewandte Nordseite hat eine wehrhafte Fassade mit Teilen der älteren Bausubstanz.
Der sehr sachliche Grundriss spiegelt sich in der strengen Symmetrie der Fassade wieder. Dies ist eine Bauweise, die es schon Jahrhunderte zuvor gab. Die beiden Treppentürme avancierten zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Schlossbauten und bilden einen Ordnungsfaktor im Grundriss. Des weiteren sind sie ein dekoratives Element der Fassadengestaltungen, oder auch schmückendes Beiwerk.
Bauherr: Graf Ludwig III v. Isenburg Büdingen (1529-1588)
Baumeister: vermutlich Conrad Büttner, Büdingen
Bauzeit: 1564-1572
Material: Roter Main Sandstein

Hofseite

Hofseite

Zum Main hin gerichtete Nordseite

Zum Main hin gerichtete Nordseite

Die Heutige Nutzung ist Bestandteil des Campus der Hochschule für Gestaltung (Fotografie)

Die Heutige Nutzung ist Bestandteil des Campus der Hochschule für Gestaltung (Fotografie)

Die Stufenköpfe sind so ausgearbeitet, dass es zu einer Handlaufhöhe von 65 cm kommt. Des Weiteren sind die Säulensockel angearbeitet

Die Stufenköpfe sind so ausgearbeitet, dass es zu einer Handlaufhöhe von 65 cm kommt. Des weiteren sind die Säulensockel angearbeitet

Treppenschacht: Zylindrische Ø 350 cm
Stufen: 72
Laufbreite: 140 cm
Treppenauge: 33cm
Innenleibung: 22 cm
Stufenauftritt: Außen 45 cm
Stufenauftritt: Innen 14 cm
Stufenunterschneidung: 18 cm Innenwange
Stufen auf 360°: 17Auftritte
Steigung: 20 cm
Handlaufhöhe: 65cm
Säulen Ø: 12 cm
Deutschordensschloss, Bad Mergentheim
Baden-Württemberg

Das ehemalige Deutschordensschloss war von 1527 bis 1809 Residenz der Hoch- und Deutschmeister.
Wann das Schloss und die berühmte Wendeltreppe gebaut wurden ist nicht bekannt, da im Bauernkrieg von 1525 die meisten Registraturen und Bibliotheken verbrannten.
An Hand von vergleichbaren Treppen könnte die nördliche Wendeltreppe, mit Hohlspindel und 7 Wangensäulchen, 1574 gebaut worden sein.

Ansicht der reichverzierten Treppenuntersicht

Ansicht der reichverzierten Treppenuntersicht

Ansicht Treppenauge mit der goldenen Sonne im Mittelpunkt

Ansicht Treppenauge mit der goldenen Sonne im Mittelpunkt

Treppenantritt

Treppenantritt

Baumeister: Blasius Berwart
Bauzeit: 1574
Treppenhaus Durchmesser: 507 cm
Treppenauge Durchmesser: 61 cm
Laufbreite: 185 cm
Steigung: 15,7 cm
Stufen: 98
Stufen Innenmaß: 22,5 cm
Stufen Außenmaß: 80 cm
Wangensäulen: 7
Säulen Durchmesser: 14,5 cm
Auf 360 Grad: 20 Stufen

Schloss Hartenfels, Hausmannsturm,Torgau – Sachsen,

Als Hausmannsturm bezeichnet man den höchsten Turm einer Burg- oder Schlossanlage bzw. bewohnbare hohe Kirchtürme. Hier wohnte der Türmer einer Stadt, der die Bewohner und das Umland vor Gefahren, z.B. Feuer, herannahende fremde Truppen oder Banden warnte. Auch war es seine Aufgabe durch Schlagen der Glocke die Uhrzeit bekannt zu geben.
Als Johann Friedrich I. im Jahr 1532 zum Kurfürst ernannt wurde, berief er den Steinmetz Konrad Krebs aus Büdingen zum Landbaumeister. Die Erhöhung und Erweiterung des Hausmannsturmes und die nach italienischem Vorbild ausgeführte Anlage der dreigeschossigen hofseitigen Loggia sowie der Große Wendelstein wurden unter seiner Regie angefertigt.
Der mittelalterliche und mit seinen 53 Metern höchste Turm des Schlosses Hartenfels verbindet den spätgotischen Albrechtsbau (rechts) mit dem prachtvollen Johann-Friedrich-Bau der Frührenaissance (links). Die Erweiterung des Turmes erfolgte in den Jahren 1533 bis 1535, bis zur Aussichtsplattform sind es 163 Stufen. Die dargestellte Spindeltreppe mit Blockstufen hat 114 Stufen. Nach dem Baustil der Treppe zu urteilen ist dieses Bauwerk sicherlich mit dem ersten Bauabschnitt errichtet worden. Die Treppe endet mit der Höhe des Altbaus. Im Zuge der Erweiterung wurde ein anderer Baustil angewandt.

Hausmannsturm, Höhe 53 m, Rechts Albrechtsbau, links Johann- Friedrich- Bau

Hausmannsturm, Höhe 53 m, Rechts Albrechtsbau, links Johann- Friedrich- Bau

Bauherr: Ernst Kurfürst von Sachsen, Landgraf in Thüringen (1441-1486)
Baumeister: Konrad Pflüger (1450~1507)
Bauzeit: 1480/81- 1485
Schacht: Zylindrischer Ø 206 cm
Laufbreite: 94cm
Säule: 18 cm
Stufen: 114
Steigung: ~19 cm
Stufen auf 360°: 17
Auftritt Außen: 40cm
Auftritt Innen: 4 cm
Distanziere: 10 cm
Untertritt: Säule 7 cm

Austritt im 2. Obergeschoß

Austritt im 2. Obergeschoß

Der Hausmannsturm, mit quadratischen Außenmaßen, besteht im Inneren aus einem zylindrischen Schacht. Eine hölzerne Wendeltreppe mit Blockstufen, im Zentrum zu einer runden Spindel ausgearbeitet, übernimmt die Höhenüberwindung.
Stufen in Holz herzustellen, ist kostengünstiger als Steinstufen. Von der Benutzung her ist Holz ein angenehmerer Werkstoff als Steinbelag. In der Regel eignet sich Holz für diese Konstruktionsart nicht, da die Stufen wandseitig eingebaut werden und Holz bei aufsteigender Feuchtigkeit fault. Da der Untergrund von Schloss Hartenfels aber aus Porphyrgestein besteht und Stein die Erdfeuchte nicht weiterleitet, konnte die Treppe aus Holz gefertigt werden.
Holzverarbeitung
Wenn ein Baum Ende Dezember oder Anfang Januar gefällt wird, ist das Holz der Bäume mit wenig Feuchtigkeit durchsetzt. Nach dem Fällen muss das Holz gelagert werden, da die Holzfeuchte etwa 60 % beträgt. Die Lagerzeit ist
abhängig vom Holzquerschnitt. Da es sich in unseren Fall um kerngetrenntes Fichtenholz handelt und die Stufendicke =Steigung= 19 cm beträgt, könnte bei guter Belüftung das Holz nach 6 – 9 Monaten lufttrocken sein. Es hätte somit eine Holzfeucht von 20- 18 % und kann verarbeitet werden. Da es sich hier um keinen beheizten Raum handelt, quillt und schwindet Holz nur noch durch die jahreszeitlich bedingten feuchten und trockenen Perioden. Bei normalen Witterungsverhältnissen kann ein Vierteljahr vergehen, bis Holz merklich die Dimension verändert.
Als der Verfasser im Jahre 1991 und 2015 die Treppe besichtigte, ist ihm keine nennenswerte Setzungen aufgefallen.

Die Stufen sind mit einer Distanzkerbe und einem Untertritt ausgestattet

Die Stufen sind mit einer Distanzkerbe und einem Untertritt ausgestattet

Freiberg-Sachsen Fichtenholz Hohlspindeltreppe (von 1580)
Freiberg liegt in der Mitte des Freistaates Sachsen. Der historische Stadtkern steht unter Denkmalschutz. Bis 1949 war die Stadt rund 800 Jahre vom Silberbergbau und der Hüttenindustrie geprägt.

Wer etwas auf sich hielt, leistete sich in seinem Heim eine achtungsgebietende Wendeltreppe. Sie allein schien geeignet zu sein, die Ehrerweisungen des Hauses zu übernehmen. Seit der Renaissance wurden Wendeltreppen mit Auge allgemein beliebt.
Hölzerne Hohlspindeltreppen gibt es nur noch sehr wenige.
Der Obermarkt liegt auf einem Kalkgestein der Wasser undurchlässig ist. Die Gebäude, die um den Obermarkt stehen, haben keine Probleme mit der aufsteigenden Erdfeuchte. (Der Obermarkt ist die höchste Erhebung von Freiberg). Die Treppe steht in einem Wohngebäude mit einem runden Treppenhaus.
Wandseitig wurden die Stufen eingemauert, auf der Freiseite liegen die Stufen aufeinander und sind mit Holzdollen verbunden. Der Stufenkopf auf der Freiseite wurde mit Wülsten und Kehlen profiliert. Diese Formgebung ist der Fantasie des Handwerksmeisters überlassen.
Da sich die Treppe in einem Wohnhaus befindet, deren Wohnungen temperiert sind und die trockene Wärme auch in das Treppenhaus zieht, wodurch das Holz ausgetrocknet wird, kommt es zum Schwund im Holz und somit zu Setzungen. Das Podest hat sich zum Treppenauge hin um 4,5 cm geneigt.

 

Über 400jährige Fichtenholztreppe

Über 400jährige Fichtenholztreppe

Das Wandprofil
Wandseitig ist ein profiliertes Holz zu erkennen. Wann dieses Teil angebracht wurde konnte nicht geklärt werden. Fest steht, dass es zu dieser Zeit üblich war Treppenaufgänge mit Zierprofilen zu
versehen. Später stellte man fest, dass man sich an diesen Profilen festhalten kann.

Das Podest vor der Wohnungseingangstür im 1.OG hat sich im Treppenauge bedingt durch die Wohntemperatur um 44 mm gesenkt

Das Podest vor der Wohnungseingangstür im 1.OG hat sich im Treppenauge bedingt durch die Wohntemperatur um 44 mm gesenkt

Der Stufenabrieb

Obwohl Fichtenholz relativ weich ist war es zu dieser Zeit gängige Praxis Stufen aus diesem Holz herzustellen. Vergleicht man allerdings den Holzabrieb der bei Treppenbenutzung entsteht, so ist der, nach mehr als 400 Jahren, mit knapp 40 mm gering.
Das vierstöckige Haus wird von vier Familien bewohnt, wobei die Bewohner des Erdgeschosses die Treppe nicht benutzen.
In meiner Heimatstadt Frankfurt am Main habe ich etwa 10 Treppenhäuser, die vor etwa hundert Jahren gebaut wurden, ausgemessen. Die Trittstufen bestanden überwiegend aus Eichenholz, der erste Treppenlauf wurde in der Regel von 4 – 5 Familien genutzt. Das Ergebnis kann man zu einer Faustregel zusammenfassen: der Abrieb in einem Jahrzehnt beträgt 1 mm. Der größte Teil der Häuser ist 100 Jahre alt, somit sind die Stufen vom ersten Treppenlauf 10 mm ausgetreten. Bei steileren Treppen wird die Vorderkante intensiver beansprucht und somit ist der Abrieb größer.
Mit dem Altern des Holzes nimmt die Festigkeit erheblich zu.

Der Holzabrieb nach mehr als 400 Jahren, beträgt weniger als 40 mm

Der Holzabrieb nach mehr als 400 Jahren, beträgt weniger als 40 mm

Rathaus, Bremen, Wendeltreppe zur oberen Güldenkammer,

Bremen, das seit 1260 Mitglied der Hanse war, konnte seine Handelsbeziehungen im Nord- und Ostseebereich ausdehnen und nicht nur ein kommerzieller, sondern auch ein kultureller und künstlerischer Austausch fand statt. Während zu dieser Zeit die süddeutschen Handelsmetropolen, wie Augsburg, Innsbruck oder Wien, in künstlerischer Hinsicht italienischen Einflüssen gegenüber aufgeschlossen waren und den geradeläufigen Treppentyp einführten, hielten die Anrainer an Nord- und Ostsee an den in gotischer Stilepoche entwickelten Wendeltreppen fest. Handwerker und vor allem Holzschnitzer konnten ihrer Kunst und Fantasie freien Lauf lassen und die Wendeltreppe avancierte zum Prestigeobjekt. Wer genügend Geld hatte beeindruckte die Gesellschaft mit einem gewendelten Kunstwerk an bedeutenden Standorten.

Treppe im Rathaus von Bremen

Treppe im Rathaus von Bremen

Bauherr: Rat der Stadt Bremen
Werkmeister: Reinecke Stolling
Bauzeit: 1612 – 1616
Material: Eiche
Geschoßhöhe:360 cm
Stufen: 20
Steigung: 18 cm
Laufbreite: 110 cm
Ø der Spindel:26 cm

Jakobikirche, Lübeck, Kirche der Seefahrer.

Treppe zur Süd Empore 1634
Die Jakobi-Gemeinde hatte im 17. Jhd. einen eigenen Kirchentischler. Ab 1613 bekleidete Heinrich Sextra dieses Amt und nach seinem Tode 1647 wurden sein Sohn und später Jürgen Ehmke seine Nachfolger.
Die Meister zu dieser Zeit beschäftigten sich hauptsächlich damit, die Außenwangen von Holzspindeltreppen „stützlos“ zu bauen. Da finanzstarke Gemeinden aus Prestigegründen anderen Gemeinden nicht nachstehen wollten, legte man besonderen Wert auf Gestaltung und Ausschmückung der Treppe.

Treppe in der Jakobikirche

Treppe in der Jakobikirche

Rathaus der Rechtstadt Danzig, 1685

Nicht nur das im Rathaus eine aufwendige Treppe gebaut wurde, auch gab es Handelsherrn die ihren Reichtum zeigen wollten. Es gab zu dieser Zeit viele Kunsthandwerker, die sich gegenseitig übertrumpfen wollten.

Rathaus Treppe in Danzig

Rathaus Treppe in Danzig

Treppen Ø: 272 cm
Auf 360° : 19 Stufen
Säule Ø : 40 cm
Treppenauge: 16 cm
Auftritt: Innen 7 cm
Auftritt: Außen 44 cm
Wangendicke: 8 cm
Neuartig an Danziger Treppen waren die Geländerstäbe, die wie Korkenzieher gewunden sind. Dies ist eine extrem schwierige und teure Arbeit, aber es war zu dieser Zeit Mode mit solch einem Schmuckstück zu punkten.

 

Geradläufige Treppen in der Renaissance

Portugal erlebte in der Spätgotik, an der Schwelle zur Renaissance, sein Goldenes Zeitalter unter dem König Manuel I. (1495-1521). Der kunstliebende Regent ließ viele Gebäude in einem besonderen Stil errichten, den man später „Manuelinik“ nannte. Im Gebäude des 1501 begonnen Hieronymiten Kloster von Belèm/Lissabon wurde 1517 eine geradläufige Treppe, die zum Kreuzgang führt, errichtet.

Geradläufigetreppe zum Kreuzgang

Geradläufige Treppe zum Kreuzgang

Baujahr: 1517
Architekt: Diego Boytac
Material: weißer Marmor
Steigungen: 12
Laufbreite: 194 cm
Steigungsverhältnis: 17,5/39 cm
Pézenas, Südfrankreich

Im 16. und 17. Jhd. war dieser Ort Sitz der Regierung und Residenz des Gouverneurs von Languedoc.
In der Alt- und Neustadt entstand zu dieser Zeit ein bemerkenswertes Häuserensemble und der Volksmund sprach davon, dass Armand de Bourbon, Fürst von Conti, Pĕzenas zum „Versailles des Languedoc“ machen wollte.

Der Treppenantritt

Der Treppenantritt

Hôtel des Barons de Lacoste

In den Jahren zwischen 1509 und 1518 erbaute Baron de Lacoste eine Herberge.
Das besterhaltene und bemerkenswerte Haus steht in der Rue Francoise Oustrin im Zentrum Pézenas.
Auch König Ludwig der XIV. soll während seines Aufenthalts hier übernachtet haben. Heute werden die Räume für Ausstellungen, Theateraufführungen, Vorträge usw. genutzt.

Loggia zur Hofseite

Loggia zur Hofseite

Die Treppe hat auf der Freiseite ein Steigendes Besteck

Die Treppe hat auf der Freiseite ein steigendes Besteck

Bauzeit: ~ 1515
Steigungen: 12 1. Lauf / 9 2. Lauf
Laufbreite: 170 cm
Steigungsverhältnis: 17,5 / 32 cm
Geländerhöhe: 100 cm
Handlaufhöhe: 15 cm
Handlaufbreite: 30 cm

Biblioteca Laurenziana Florenz, Italien

Michelangelo erhielt 1523 den Auftrag die Eingangstreppe zur Libreria zu entwerfen. An Hand seiner Skizzen wurde sie später von Vasari und Ammanati fertig gestellt.

Treppenantritt des Mittleren Armes

Treppenantritt des mittleren Armes

Zeichnung: v. J.C. Raschdorff 1888 Scalalogia Band IX. F. Mielke

Zeichnung: v. J.C. Raschdorff 1888 Scalalogia Band IX. F. Mielke

Planer: Michelangelo 1523
Ausführung: Vasari und Ammanati 1560
Steigungsverhältnis: Seitenarme 17,4 /37 cm
Mitte 18,5/ 36 cm
Laufbreite Mitte: 190 cm

Die Scala dei Giganti, Venedig

Die „Scala dei Giganti“ ist die letzte von ehemals vier Treppen die vom Innenhof in das Obergeschoss führt. Über sie gelangt man in die ehemaligen Räume des Dogen. Sie wurde ab 1484 von dem Baumeister Antonio Rizzo errichtet.
Die Treppe hat ihren Namen von zwei kolossalen Skulpturen die die römischen Götter Neptun darstellen, die Jacopo Sansovino 1567 geschaffen hat. Mars, der Gott des Krieges (zu Lande) und Neptun, der Gott des Meeres, weisen unmissverständlich auf die militärische Stärke Venedigs hin.

Scala dei Giganti, wurde damals wie heute nur für besondere Anlässe genutzt

Scala dei Giganti, wurde damals wie heute nur für besondere Anlässe genutzt

Baumeister: Antonio Rizzo
Baujahr: 1484
Treppenlaufbreite: 346 cm
Steigungen: 15 + 14
Steigungsverhältnis: 15/35 + 15/36 cm
Scala d’Oro / Goldene Treppe, Venedig

Die Goldene Treppe erreicht man über die Scala dei Giganti, die als Außentreppe vor dem Palast steht. Hat man diese bestiegen, so geht man links den Logengang entlang. Nach etwa 20 Schritten öffnet sich rechts der Aufgang, der die „Anmaßung“ einer Himmelstreppe hat – die Goldene Treppe. Äußerlich ist der Aufgang durch Arkaden verdeckt. Auf dem Treppenabsatz befindet man sich im 2. OG, hinter der Tür befinden sich die ehemaligen Gemächer des Dogen. Die Mitglieder des Senats haben noch weitere 18 Stufen zu überwinden, bis sie ihre Sitzungsräume erreicht haben. Die Ausschmückungen der Räume sowie Goldauflagen an den geschnitzten Ornamenten stehen dem Treppenaufgang in Prunk und Schönheit nicht nach.

Die Goldene Treppe von Venedig

Die Goldene Treppe von Venedig

Entwurf: Jacopo Sansovino
Ausführung: Scarpagnino (Antonio Abbondi,)
Pietro Piccolo die Guberni
Bauzeit: 1557-1559
1.Lauf : 20 Stufen
2.Lauf: 18 Stufen
Steigungsverhältnis: 15,3×32 cm
Stufenunterschneidung: 4,5cm
Laufbreite: 315 cm
Gerade Außentreppe Rathaus, Lübeck,

Mit dem Bau des Rathauses wurde kurz nach der Reichsfreiheit, die Lübeck 1226 erhielt, begonnen und 1308 weitgehendst fertiggestellt. 1435 entstand im spätgotischen Stil die Schauwand mit den Türmen und den verschiedenfarbigen Ziegeln.
Zur Zeit der Renaissance erkannten die Ratsherrn, beflügelt durch den Reichtum des Ortes, die Wichtigkeit ihres Rathauses herauszustellen. Flämische Bildhauer mussten ihr Können in der Schmuckfreude unter Beweis stellen, so dass auch jedem Besucher der Mammon der Stadt nicht verborgen blieb.

Die Treppe führt zu der so genannten Kriegsstube, dem einstigen Schatz des Rathauses

Die Treppe führt zu der so genannten Kriegsstube, dem einstigen Schatz des Rathauses

Ob der 130 Jahre später gerfertigte Treppenaufgang die Rathausfasade ziert sei dahin gestellt

Ob der 130 Jahre später gerfertigte Treppenaufgang die Rathausfasade ziert sei dahin gestellt

Kaisertreppe, Residenz, München

Die Treppe befindet sich, als steigendes Element zum höfischen Empfang, zwischen Vestibül, Vorraum und Hauptsaal. Im Verhältnis zur Größe der unteren und oberen Räume fällt die Treppe sehr schmal aus. Dennoch ist es den Planern durch gute Proportionen, Schmuck, Malereien und Plastiken gelungen einen wahrhaft „kaiserlichen“ Aufgang zu gestalten.

Die Treppe entstand von 1614 – 1616 unter Herzog Maximilian I. (reg. 1598 – 1651, seit 1623 als Kurfürst) Treppenbreite: 3,94 m, Steigungsverhältnis: 14/40 cm

 

Kaisertreppe in der Münchner Residenz die zum Kaisersaal führt, der damals wie heute nur zu besonderen Anlässen gentzt wurde und wird

Kaisersaal

 

Literatur:

Wilfried Koch: Baustilkunde 1982
Friedrich Mielke: Treppen der Gotik und Renaissance, Scalalogia Band IX. 1999
Friedrich Mielke: Treppen der Welt, Scalalogia Band XX. 2011

Friedrich Mielke: Geschichte der Deutschen Treppen, Berlin-München 1966
Friedrich Mielke: Handbuch der Treppenkunde, Hannover 1993

Der Dom zu Freiberg in Sachsen, Deutscher Kunstverlag München Berlin 1994
Bibl
iographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 

Verfasst: Wolfgang Diehl 2015