Treppen mit Glas & Plexiglas

Der Drang nach einer „Entmaterialisierung“ von Treppen wurde in den Nachkriegsjahren größer. Dafür kamen zwei Materialien in Frage: Glas und Plexiglas.

Der Grazer Architekt Rambold von Steinbüchel – Rheinwall hat 1953 für einen zweigeschossigen Konferenzraum auf der Automobilausstellung in Frankfurt a. Main eine Treppe mit gläsernen Trittstufen (Sekuritglas) und gläsernem Geländer konstruiert. Die Stufen bestanden aus dem gleichnamigen gehärtetem Glas. Die Tragkonstruktion bestand aus Leichtmetall, auch das Geländer bestand aus Glas.

Treppen mit Plexiglas

Nach einem Plan der Architekten Ernst und Günter Huhn wurde 1962 in einem Verkaufsraum der Firma Rosenthal – Porzellan AG an der Königsallee in Düsseldorf eine Treppe aus Plexiglas eingebaut. Die Verbindungen wurden geschweißt, genutet oder verdübelt. Die 17stufige Treppe war mit 140kp pro Stufe probebelastet worden und von den Behörden für 25 Personen genehmigt, was  einer Gesamtbelastung von ca. 1875kp entspricht.

Die Firma Rosenthal ließ sich 1962 diese Plexiglastreppe in Düsseldorf einbauen

Die Firma Rosenthal ließ sich 1962 diese Plexiglastreppe in Düsseldorf einbauen

Die Architektur im Treppenbau hat in ihren Bemühungen um Ästhetisierung mit dem Extrembaustoff Glas Fortschritte erzielt. Die Vorstellung der Architekten, eine Ebene mit einer anderen Ebene zu einer funktionsfähigen Treppe zu verbinden und gleichzeitig dem Benutzer ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln, kann allerdings zu diesem Zeitpunkt für die Allgemeinheit zu früh. Da Menschen es gewohnt sind, festen Boden unter den Füßen zu haben und das Betreten eines   durchsichtigen Gegenstandes Unbehagen auslöste, wurde die Rosenthaltreppe nach relativ kurzer Zeit wieder entfernt.

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Tritt - und Setzstufen in Glas, Wangen in Holz In den 1990er Jahren gelang es der Glasindustrie Verbundglas herzustellen. Das heißt, dass drei Glasscheiben mit einer selbstklebenden Folie verbunden werden konnten. Nach Genehmigung durch die Behörden war Verbundglas als Stufe marktreif. Trittstufen aus Glas setzten sich mehr und mehr durch, anfänglich mit Holzwangen, später mit Metall als tragendes Element, auch in öffentlichen Gebäuden ist es zu einem begehrtes Material geworden. Anfänglich wurde die Stufenoberseite geätzt um eine Durchsicht des Glases zu verhindern, Stufen bestehen in der Regel aus 3 Scheiben, die mit einer Folie verbunden sind, wobei eine der Folien mattiert ist. Ende der 1990er Jahren erwirkte die Glasindustrie eine Zulassung für begehbare Gläser, für die bei Anwendung im Öffentlichkeitsbereich ein rechnerischer Belastungsnachweis nötig ist.

Die Firma Kenngott aus Heilbronn hat in den 1980er Jahren in Wohnhäuser einige Spindeltreppen in Plexiglas gefertigt

Plexiglas & Acrylglas wurde 1928 in Deutschland von dem Chemiker Walter Bauer mit entwickelt. 1933 fertigte Otto Röhm die ersten gegossenen Scheiben. In der Praxis hat sich das Material nicht durchgesetzt, da dieses Werkstoff bei Reibung quietscht und kratzempfindlicher ist als Glas.

Tritt – und Setzstufen in Glas, Wangen in Holz

In den 1990er Jahren gelang es der Glasindustrie Verbundglas herzustellen. Das heißt, dass drei Glasscheiben mit einer selbstklebenden Folie verbunden werden konnten. Nach  Genehmigung durch die Behörden war Verbundglas als Stufe marktreif.

Trittstufen aus Glas setzten sich mehr und mehr durch, anfänglich mit Holzwangen, später mit Metall als tragendes Element, auch in öffentlichen Gebäuden ist es zu einem begehrtes Material geworden. Anfänglich wurde die Stufenoberseite geätzt um eine Durchsicht des Glases zu verhindern, Stufen bestehen in der Regel aus 3 Scheiben, die mit einer Folie verbunden sind, wobei eine der Folien mattiert ist. Ende der 1990er Jahren erwirkte die Glasindustrie eine Zulassung für begehbare Gläser, für die bei Anwendung im Öffentlichkeitsbereich ein rechnerischer Belastungsnachweis nötig ist.

Die erste Treppe mit Glasstufen, Baujahr 1990 , die vom Unterzeichner hergestellt wurde

Die erste Treppe mit Glasstufen, Baujahr 1990 , die vom Unterzeichner hergestellt wurde

Treppe mit Flachstahlwange und Stufen mit mattierter Folie

Im Zuge der Aufstockung des Einfamilienwohnhauses musste eine neue Treppe zur Höhenüberwindung installiert werden. Die Stufen in Glas dienen auch zur Belichtung der unteren Treppe. Baujahr 2006.

Mit der Kombination Edelstahl-Glas wird ein moderner Stil erzeugt

Mit der Kombination Edelstahl-Glas wird ein moderner Stil erzeugt

Treppenansicht von unten

Treppenansicht von unten

Treppenanlage mit Stahlholmen und durchsichtigem Glas

Es ist immer ein Balanceakt, wie transparent kann eine Treppe sein, damit der  Bauherr noch ein Gefühl der Sicherheit auf der Treppe hat. Für den Besucher dürfte ein ungewohntes Gefühl sein, vom 2. Stock durch die Stufen hindurch bis zum Erdgeschoss zu schauen. Baujahr 2012.

Es gibt nur wenig Menschen, die mit Begeisterung diese Art Treppe steigen

Es gibt nur wenig Menschen, die mit Begeisterung diese Art Treppe steigen

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begehbares Glas 31 mm
Holm 140/15 mm

Konsolen 100/15

Stufenauflager Flachstahl 40/8 mm

Senkschrauben 4/25 mm

verschweißt, plangeschliffen

Isotac-Acrylat-Klebefilm 1 mm

Treppe in einer Loftwohnung

Treppenaufsicht, Baujahr 2009

Treppenaufsicht, Baujahr 2009

Der Aufgang zur zweiten Ebene wurde so minimalistisch  wie möglich gehalten, was sich in der Treppenbreite von 60 cm sowie der Linienführung, die dem derzeitigen Zeitgeist angepasst ist, wiederspiegelt. Die Materialauswahl wurde auf das Nötigste beschränkt, ohne jedoch die Standsicherheit zu beeinträchtigen.

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Glastreppe am Palazzo della Ragione in Mailand

Das 1228 errichtete ehemalige Rathaus der Stadt. Jahrhundertelang führte der einzige Zugang zu dem auf Pfeiler aufgeständerten Gebäude über eine Brücke, die gleichzeitig als Fluchtweg diente. Um das Gebäude öffentlich zugänglich machen zu können, musste zunächst eine neue, außen liegende Fluchttreppe als zweiter Fluchtweg geschaffen werden. Vorgaben bei dem Entwurf waren Leichtigkeit, Transparenz und Eigenständigkeit gegenüber dem historischen Umfeld.

Geplant wurde die Treppe von dem Architekten, Stadtplaner und Autor Marco Dezzi Baredchi, der bereits bei Restaurierungsarbeiten des Palzzos in den 80er Jahren beteiligt war. Er entschied sich für Glas, tragenden Edelstahlelementen und Edelstahlstäben gefertigte Außentreppe, die sich klar von der historischen Bausubstanz abhebt. In ihrer filigranen Ausführung  beeinträchtigt sie weder die historischen Raumkanten noch den Durchgang zur Piazza die Mercanti.

Die Treppe wird derzeit nicht genutzt

Die Treppe wird derzeit nicht genutzt

Mit einer Gesamtlänge von 26 m überwindet die Treppe einen Höhenunterschied von etwa 8,20 m. Die Tragkonstruktion besteht aus einer leicht geneigten und nach oben verjüngten Stütze aus Edelstahl, die sich in ca. 12 m Höhe an einer Bodenplatte befestigt und zusätzlich gegen Kippen am Mauerwerk rückverankert. Von den Armen verlaufen Edelstahlstäbe mit einem Durchmesser von 32 mm vertikal nach unten. Um den Straßenraum möglichst frei von weiteren Stützen zu halten, ist an diesen Stäben auch die Unterkonstruktion für den Treppenlauf befestigt. Die Unterkonstruktion besteht aus einem innenseitigen Kastenträger, von dem die Glasstufen nach außen auskragen. Alle Edelstahlelemente wurden in der Werkstatt vormontiert und vor Ort mittels Schrauben- und Schweißverbindungen zusammengefügt.

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Der Treppenantritt im Gebäude

Die Glasstufen

Jede der 49 Glasstufen bestehen aus 114 Stück vertikal gestellten, speziell organisch ausgeschnittenen Glasplatten aus Floatglas. Das 10 mm dicke Glas hat je drei Bohrungen mit einem Durchmesser von 21 mm. Durch diese Bohrung sind Edelstahlstäbe geführt, die ihrem Ende mit einem Gewinde versehen sind. Durch das Vorspannen eines Spannbleches mit den Stäben gegen die Glasplaten wird das Paket jeder Treppenstufe zusammengehalten. So wie die Edelstahlelemente konnten auch die Stufen in der Werkstatt vormontiert werden.

Architekt : Marco Dezzi Bardeschi, Mailand; Mitarbeiter Laura Gioeni

Projektbeteiligte: Alessandro Melani, Agliana/I (Tragwerksplanung); Metalmeccanica Catena srl, Matera/I (Stahlkonstruktion)

Bauherr:                          Stadt Mailand

Architekt:                        Marco Dezzi Bardeschi

Bauzeit:                           2002

Laufbreite:                       114 cm

Steigungsverhältnis:        16,5/30 cm

Untertritt:                         5 cm

Stufenvorderkante:          Radius 1,5 cm

Rutschhemmende  Nute: 3 cm hinter der Vorderkante

Floatglas dicke:               10 mm

Eine Stufe.                       114 Stück Glasscheiben

Stufen-Spannschrauben: 16 mm

Glas Lochgröße:              21 mm

Apple Store  New York Fifth  Avenue

Apple Store sind eine Kette von Einzelhandelsgeschäften im Besitz und Vertrieb  des amerikanischen Unternehmens Apple Inc..

Kunden, die sich für Macs, Smartphones, Unterhaltungselektronik, Zubehör usw. interessieren finden sich in den hellen und großen Räumen, mit standardisierten Einrichtungen, hellen Holztischen und minimalistischem Design sehr schnell zu recht.

Wie in vielen Stores weltweit eröffneten Apple seine Stores bevorzugt in exponierten Lagen. Nicht nur das auffällige Piktogramm Apples, sondern auch Glastreppen in mehreren Flagship-  Stores ziehen den Besucher regelrecht „magisch“ an.

Nach Präsentation eines Geschmacksmuster (Modell) erhielt 2002 die erste gläserne Treppe vom US-Patent- und Markenamt die Zulassung.

Im  Mai 2006 eröffnete Appel einen Store in der New Yorker Fifth Avenue. Der Kubus mit den Massen von knapp 9,75 m im Quadrat, und seine  Eingangshalle sind ein absoluter  Publikummagnet. In den Umsatzstärksten Store des Konzerns können sich Besucher an 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr über Apple Produkte informieren,  beraten lassen und kaufen.

Mein Dortmunder Freund und Kollege Ulrich John, der im Sommer 2009 diese gläserne Treppe nicht nur fotografierte sondern auch vermessen hatte, stellte mir die Fotos zur Verfügung.

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Architekt:  Bohlin Cywinski Jackson  Glaskubus

Ingenieur: Eckersley O’ Callaghan

Glasverarbeiter: Firma Seele Gersthofen Deutschland

Treppenaufsicht

Treppenaufsicht

Die Treppenanlage ist als Wendeltreppe angelegt, so dass im Treppenauge ein Aufzug installiert werden konnte. Der Aufzug besteht aus einem Hubzylinder, dass heißt; wenn die Plattform die Untergeschoßebene erreicht hat, sind keine Konstruktionsteile mehr sichtbar.

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Am Treppenantritt sind die Verbindungsteile zwischen Wange, Stufen, Fußboden und 2. Wange, sichtbar. Die Wange ist auf die nötige Absturzhöhe verbreitert.

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Der Treppenaustritt mit der Verbindung zur Decke, der eigentlich der Treppenantritt für den Besucher bedeutet. Eine Glasstütze, die auf dem Boden des Untergeschosses fixiert ist, stabilisiert den Glaszylinder im Treppenauge und führt unter einer Stufe zum Außengeländer. An diesem Geländerstoss  ist eine Verbindung hergestellt das die Treppe stützt und das Geländer stabilisiert.

Eine weitere Treppenstütze befindet sich unter der achten Stufe.

Eine weitere Treppenstütze befindet sich unter der achten Stufe.

Das Verbindungsteil von Treppenstütze und Wange

Das Verbindungsteil von Treppenstütze und Wange

Die Trittstufen haben eine Dicke von 32 mm.

Die Trittstufen haben eine Dicke von 32 mm.

Die Glasbrüstung hat eine Dicke von 32 mm

Die Glasbrüstung hat eine Dicke von 32 mm

Der Durchmesser des Kopfes der Verbindungsschraube beträgt 50 mm

Der Durchmesser des Kopfes der Verbindungsschraube beträgt 50 mm

 

Literatur:

Die Geschichte der deutschen Treppen, Friedrich Mielke, Berlin München 1966

Neue Wege im Treppenbau, Wolfgang Diehl, Karlsruhe 1995

Moderne Treppen – Band 2, Wolfgang Diehl, Köln 2014

Moderne Treppen, Wolfgang Diehl, Köln 2008

Wikipedia

Fotos: Apple Store, Ulrich John, Dortmund

Verfasser: Wolfgang Diehl 2016