Treppe mit versetzten Auftritten

Treppen mit versetzten Auftritten

Eine Treppenform, die einer ausführlichen Beschreibung bedarf, denn es gibt wohl kaum eine Treppe, die mehr geliebt, aber auch mehr gehasst und verflucht wurde. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Die Treppe mit versetz­ten Auftritten bietet uns die Möglichkeit, auf der halben Grundfläche einer normalen Treppe die Höhe zu überwinden Trotzdem stößt diese Treppe vielerorts auf Ablehnung.

Historische Treppe, veröffentlicht von

Architekt E. Viollet-Duc 1814-1879

Auch mit der Namensgebung tut man sich schwer. Eine Umfrage bei einem Treppenseminar ergab: 65% der Befragten bezeichneten diese Treppe als Raumspartreppe. Es wurden aber auch Namen genannt wie Wechselstufen­treppe, Steiltreppe, Halbstufentreppe, Sambatreppe, Ententreppe, Wat­scheltreppe, Schmetterlingstreppe, Schiffstreppe und Hexentreppe. Aus der Literatur ist die Treppe noch als Leipzigertreppe, Wienertreppe oder Drei­eckstufentreppe bekannt.

Woher kommt diese Treppe eigentlich? Sie ist keine Erfindung aus jüngster Zeit. Der Architekt E. Viollet-le-Duc (1814-1879) berichtet in einer Nieder­schrift von zwei derartigen Treppen. Eine befindet sich in einer im 13. Jahrhundert zur Festung ausgebaut Kirche in Nazaire de Carcassonne, Süd­frankreich.  In diesem Bericht ist zu lesen, dass diese Treppen gefährlich und schwer zu besteigen sind. Aus Platzmangel ist man gezwungen, in einem Winkel von 45 Grad zu steigen, das ergab einen ebenso breiten wie hohen Aufstieg (30 x 30 cm). Bestenfalls dem Dienst­personal ist so etwas zuzumuten. Die Stufen wurden diagonal auf 15 cm Höhe getrennt, um eine flachere Steigung zu erreichen.

Erst gegen Ende der 70er Jahre wurde diese Treppenform wieder zum Le­ben erweckt. Die Steiltreppe mit versetzten Stufen hat den enormen Vorteil, dass der Benutzer beim Steigen den ganzen Fuß aufsetzen kann. Dennoch erfordert das Besteigen einer derartigen Treppe viel Aufmerksamkeit. Man ist gezwungen, immer mit dem gleichen Fuß zu beginnen. Außerdem irritiert das steile Aussehen, um nicht zu sagen, es schreckt ab. Beim Hochsteigen sind die Stufen sehr nah vor dem Körper, beim Abwärtssteigen sieht man in eine gähnende Tiefe. Es ist daher ratsam, nicht ständig auf die eigenen Füße zu schauen, sonder den Blick nach vorne zu richten und einfach da­raufloszusteigen.

Gerade Treppe mit versetzten Auftritte

Vor dem Erwerb sollte der Benutzer auf jeden Fall das Steigen ausprobie­ren. Als Treppe, die auch von Fremden benutzt wird, eignet sich eine Steil­treppe mit versetzten Stufen nicht.

Die Konstruktion der Treppe erfolgt durch 7 Quader mit den Maßen von 52/52/38,28 cm (Länge/Breite/Höhe). Wandseitig wurde jeder Quader in der Breite von 26 cm und in der Tiefe von 13 cm ausgeschnitten und eine Stufe aufgesetzt. Die einzelnen Quader sind miteinander verdübelt und verschraubt.

Das Aufreißen einer solchen Treppe erfolgt wie bei jeder anderen Treppe. Man nimmt die zur Verfügung stehende Grundfläche und teilt diese durch die Anzahl der Stufen plus einer Stufe. Der Austritt sollte als doppelte Stufe gerechnet werden, um einen sicheres Steigen am Austritt zu gewährleisten. Natürlich kann auch ein Teil der Austrittsstufe auf der Decke aufliegen.

¼ gewendelte Treppe mit versetzten Auftritte

Bei der dargestellten Spindeltreppe ist das vorhan­dene Loch 100 cm x 100 cm. Um eine lange Lauflinie zu erreichen, wurde diese mög­lichst weit an die Außen­seite gelegt (33 cm Abstand zur Außenkante). Da die Stufen auf der Innenseite sehr spitz zulaufen bot sich eine Spindel an, die die Stufen trägt.

Die Einteilung der Stufen er­folgte wie bei einer normalen Treppe. Mit der Vorderkante der dritten Stufen war die Kopfhöhe erreicht, somit wurden diese Stufen zuerst angetragen. Die Geschoßhöhe betrug 2,89 m, bei 14 Stei­gungen ergab dies eine Steigung von 20,64 cm. Die Länge der Laufli­nie von 1,44 m durch 14 Auftritt plus einem Auftritt, der in diesem Fall aus Platzgründen auf die Decke gelegt wurde, einzutei­len. Es wurden 10,3 cm erreicht.

Treppe in der Prager Burg

Ein Souvenirladen an der Festungsmauer, mit einer Raumtiefe von ca. 250 cm befindet sich ein Treppenaufgang, auf dem die Eigentümer aus Platznot eine klappbare Treppe bauten. Scharniere an den Stufen ermöglichen ein Herunterklappen der dann 68 cm breiten Treppe.

Leitertreppe

Diese Treppe sollte im Bedarfsfall ausgehängt und weggestellt werden können. Die Stufen wurden aus Fichtenholz gefertigt und mit schwarzem Leder umwickelt. Im Weiß der aus Kiefernholz hergestell­ten Wangen wiederholen sich die Farben des Raumes. Als Brüstung und zugleich Halteschiene dient ein V2A-Rohr.

Der Raum unter dem Kehlbalken, der „Spitzboden“ wird gerne als Schlafplatz, Kuschel- oder Leseecke genutzt. Zur wohnlichen Einrichtung des Raumes genügt eine Matratze auf dem Boden, Leselampe, Fern­seher oder Stereoanlage.

Wenn gleich auch solche Wohnni­schen von Jugendlichen oder Jung­gebliebenen gern angenommen werden, gestattet das strenge Auge des Gesetzes nicht deren Nutzung als Aufenthaltsräume.

Literatur:

Neue Wege im Treppenbau, Bruderverlag Karlsruhe 1995

Moderne Treppen, Bruderverlag Köln 2008

 Verfasser: Wolfgang Diehl 2017