Gefaltete Stufenform / Faltwerktreppen
Eine gefaltete Stufenform war schon in der Antike eine beliebte Profildarstellung. An der um 1280 errichtete Festungsanlage von Aigues – Mortes in Südfrankreich befindet sich neben dem Haupttor ein Treppenaufgang, bei dem die Stufenköpfe gefaltet und profiliert sind.
In Deutschland taucht diese Form erstmals bei der Spindeltreppe zum Lettner (1233–1239) im Mainzer Dom auf.
Es besteht die Möglichkeit, dass bei den Kreuzzügen im Vorderen Orient unter den Pilger und Kreuzritter auch „Bauinteressierte“ waren, denen diese Zeichen auffielen, zumal unweit von Petra (im heutigen Jordanien) Garnisonen ihren Stützpunkt hatten. In Petra kann noch heute an vielen Eingangspforten diese Art von Faltungen bewundert werden.
Diese Faltungen tauchten in der Baugeschichte immer wieder auf z.B. an Hausgiebeln oder Möbeln.
Eine Treppe aus verschiedenen Materialien
In der Eidgenössischen Technische Hochschule in Zürich hat der Architekt O.R. Salvisberg 1934-37 den Aufgang zur Bibliothek des Chemiegebäudes auf seine Art gelöst. Die Stufen bestehen aus 4,5 cm dickem Stahlbeton, der von Eisenwinkel 60x40x5 mm gefast wird. Auffällig ist das abgetreppte äußere Profil der Stufenlinie. Es bleibt allerdings der konstruktive Kompromiss zwischen dem Stahlbeton und der Randeinfassung aus Profilleisten, der optisch kaum bemerkbar ist.
Eine gerade Treppe aus Beton
Die Treppe in einer selbsttragenden Betonkonstruktion herzustellen, ist sehr schwierig, um eine ästhetische Proportion zu erhalten. Baustähle in Beton sind auf Druck und Zug ausgelegt und müssen mit einem gewissen Abstand übereinanderliegen, auch müssen die Stähle ausreichend mit Beton ummantelt sein. Es gibt nur wenige Beispiele dieser Art wie z.B. die Treppe in der Haupt- und Realschule, Montcada aus den 1990er Jahren, gebaut von Javier San José © Eugeni Pons. Für Treppen in spanischen Schulen sind gewisse Auflagen zu beachten z.B.: ein Treppenlauf mit maximal 12 Stufen, Laufbreite mindestens 1,20 m, in Universitätsgebäuden Laufbreite mindestens 1,50 m, Steigung 13 – 18,5 cm, Auftritt mindestens 28 cm, Zwischenpodesttiefe mindestens 2,00 m.
Eine gerade Treppe aus Stahlblech
Eine gefaltete selbsttragende Treppe in Stahlblech herzustellen, war bisher nicht möglich, da Stahl aufgrund seine Materialdicke keine aussteifende Wirkung hat. Aber mit Hängen, Stützen, mit einer Verstärkung unter den Stufen oder der Einbindung der Stufen in die begleitende Wand wie es bei der dargestellten Treppe zur Ausführung kam, konnte diese Bauweise zum Erfolg geführt werden.
Treppe mit gefalteten Flachstahlwangen
Ein Treppentyp mit abgewinkelten Flachstahlwangen, die dem Stufenverlauf folgen, ist möglich, wenn die Treppe abgehängt werden kann. Zur architektonischen Vollendung sollte die Stufendicke der Wangenbreite entsprechen, allerdings führt eine Unterschreitung der Wangenbreite zu Tragfähigkeitsproblemen.
Wangen aus Stahlrohr
Bei der Ausführung von tragendem Stahlrohr als Wange scheitert es an der Dickwandigkeit des Stahls und deren Kantenrundung, welches von der Optik nicht harmonisch wirkt. Die Stufendicke und der Querschnitt sollen aus ästhetischen Gründen gleich sein.
Die Treppe wurde mehrfach an den Wänden befestigt, da die Wanddicke des Stahlrohres nur 2,5 mm beträgt
Treppen in Holz
Ende des 20. Jhd. gelang es dem holzverarbeiteten Gewerbe, Faltwerktreppen in Holz herzustellen. Die technischen Voraussetzungen waren zu dieser Zeit gegeben, um das Holz auf die zu erwartende Holzfeuchte zu trocknen, die das Gebäude in Zukunft haben wird. In der winterlichen Heizperiode sinkt die Raumfeuchte oft auf weniger als 30% Luftfeuchte, wobei in den Sommermonaten die Raumfeuchte um die 50% beträgt. Das heißt für das Holz, dass dieses auf 6-7% Holzfeuchte absinkt und ein Schwinden des Holzes die Folge ist. Bei einer Stufe von 30 cm in der Breite ist mit 2-3 mm zu rechnen, bei 15 Stufen sind das 3-4 cm.
Bei Niedrigenergiehäuser, die jetzt mehrfach gebaut werden und mit einer Umluft ausgestattet sind, kann die relative Luftfeuchtigkeit konstant um die 50% gehalten werden. Bei dem Einbau der Treppe sollte die Holzfeuchte 9 – 10% haben, somit ist ein Quellen oder Schwinden ausgeschlossen.
Ist einmal das Konstruktionsprinzip erarbeitet, sind den Variationen der Formbarkeit von Treppen keine Grenzen gesetzt.
Die folgende Treppe ergab aus konstruktiven Gründen ein Sechseck, somit bot sich eine Wendeltreppe an. Eine durchgehende Spindel ist bei dieser Konstruktionsart nicht nötig. Der faltwerkartige Kantenverlauf an den Stufenaußenseiten fügt sich geschmeidig in das Gesamtbild des Hauses und dessen Einrichtung ein.
Um die Tragfähigkeit der Treppe herzustellen, wird die Treppe außenseitig in den Ecken zum Boden oder durch die Geländerpfosten nach oben an den Wänden abgetragen.
Bei Treppen ohne Unterschneidung sollte darauf geachtet werden, dass der Auftritt größer als 26 cm ist.
Geschoßhöhe: 2,99 m
Steigungen: 15
Steigungsverhältnis: 19,2 x 26,8 cm
Treppenbreite: 1,05 m
Stufen: Multiplex
Stufenstärke: 54 mm
Stufendeckfurnier: Buchenholz 5 mm
Oberfläche: DD-Lack
Geländer: Edelstahl
Gefaltete Treppen in Massivholz
Eine Faltwerktreppe mit Fingerzinken steht in dem Wohnhaus des Architekten Raymond Kappe „The Kappe House, Pacific Palisades USA, gebaut 1965 – 1967“.
Die Treppe wurde veröffentlicht: Stufen und Treppen von Cleo Baldon Ib Melchior mit Julius Shulman 1989 Rizzoli Internatinonal Publications, Inc. New York.
Auch Willibald Mannes hat in seinem Buch „Treppen-Technik“ 1988 auf einer Skizze Stufen mit Fingerzinken dargestellt.
Der Treppenbauer Johannes Wunsch aus Forbach fertigte eine Fingerzinkentreppe für ein junges Ehepaar. Die Frau aus dem Nordschwarzwald brachte zur Aussteuer ein Eichenholzstamm mit in die Ehe, der Mann einen Eschenholzstamm. Zur ewigen Verbindung in der Ehe formte der Meister Wunsch eine Treppe fürs Leben.
Literatur:
Treppen aus Stein, Holz und Eisen, Franz Schuster-Wien, Stuttgart 1949
Geschichte der deutschen Treppen, Friedrich Mielke, Berlin-München 1966
Treppen, José Manuel Ordás, W. Kohlhammer GmbH 2001
Moderne Treppen, Wolfgang Diehl, Köln 2008
Scala, Wolfgang Diehl, Karlsruhe 2002
Verfasser: Wolfgang Diehl 2016