Barock ~1660 – 1780

Die Stilepoche des Barock wird heute noch mit den häufig anzutreffenden Begriffen wie Licht und Schatten, Schauspiel, Bewegung, Farbe und Emotionen charakterisiert.

Die Grundlage, Barockschlösser so zu bauen wie wir sie heute kennen, ging von Rom aus und verbreitete sich durch Italien und Europa.

Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Barockbaumeister der Gestaltung der Treppenhäuser. In ihnen konnten sie die höfische Pracht voll entfalten und schon die Anfahrt zum Schloss sollte den Besucher durch eine lange gerade Allee beeindrucken.

Näherte man sich dem Palast, so sollte die Fassadenarchitektur einen überwältigenden Eindruck auf den Gast erzeugen.

Die Eingangshalle diente der Geschäftigkeit des Hauses. Der Festsaal lag im ersten Obergeschoss und eine Treppe, als architektonisches Kunstwerk gebaut – mit kostbarsten Materialien und Belichtungseffekten – führte im oder außerhalb des Vestibüls zum Höhepunkt des Gebäudes. So wurde die Mühe des Steigens zum Erlebnis für den Besucher. Die Blickrichtung wechselt nach weniger als 13 Stufen, so dass der Besucher durch neue Eindrücke in den Bann gezogen wurde. Hatte er die Treppe überwunden erreichte er den Festsaal, dessen Anblick alles in den Schatten stellte was ihn zuvor schon beeindruckte.

Es ist beachtenswert, dass die fernöstliche Feng Shui Bewegung, die vor knapp 20 Jahren in Deutschland zum Trendeinrichter auch für „Otto Normalverbraucher“ wurde, ähnliche Gedanken bezüglich der Eingangsgestaltunghatte, sowie des Wohlbefindens beim Betreten des Hauses.

Das uralten Klischee kommt auch hier zur Geltung: „Der erste Eindruck soll der Beste sein“.
Literatur: Thomas R. Hoffmann/Belser Verlag Die Kunst des Barock

 

Krakau, Schloss Wawel, Polen
Drei-läufige Senatorentreppe aus Marmor.
Nach dem Brand von 1595 wurde das Wawelschloss von Giovanni Trevano in frühbarockem Stil umgebaut.
Vor dieser Zeit war der Wawel eines der prunkvollsten Schlösser in Europa, zugleich Residenz der polnischen Könige, die den größten Flächenstaat auf dem alten Kontinent beherrschten. Die Besitzungen der Jagiellonendynastie erstreckte sich von der Ostsee zum Schwarzen Meer und zur Adria. Die Dachziegel und Säulen des Schlosses sollen vergoldet gewesen sein und die weltweit größte Sammlung von über 300 Wandteppichen gehörten zur Innenausstattung.
Im Jahre 1499 brannte es auf dem Wawel. Nach einem weiteren späteren Großbrand verlegte König Sigismund III., auch König von Schweden, 1596 den Königshof nach Warschau. „So sei er näher an Russland“, denn auf den Moskauer Zarenthron soll er auch Ambitionen gehabt haben.
Krakau blieb Hauptstadt des Reiches, aber das politische Leben verlagerte sich nach Warschau. Auch wenn Polens Könige weiterhin auf dem Wawel gekrönt und beerdigt wurden, so bedeutete dieser Prestigeverlust den langsamen Niedergang Krakaus.
Das Prunkstück in der Eingangshalle des Schlosses ist die dreiläufige Senatorentreppe aus Marmor.

Senatorentreppe im Wawelschloss, im Stil des Frühbarockes

Senatorentreppe im Wawelschloss, im Stil des Frühbarockes

Schloss Versailles, Frankreich
Das ursprünglich als Jagdschloss für Ludwig XIII. errichtete Gebäude, nahe des Dorfes Versailles, wurde ab 1661 für den Sonnenkönig Ludwig xIv. in mehreren Bauphasen um- und ausgebaut. Nach Plänen der Baumeister und Architekten Louis Le Vau, Jules Hardouin- Mansart u.a. entstand eine wahrhaft königliche Residenz vor den Toren Paris – das berühmteste Barockbauwerk Europas und Vorbild für viele Schlösser und Residenzen im 17. und 18. Jhd. Bis zum Ausbruch der Französischen Revolution war das Schloss die Hauptresidenz der Könige von Frankreich.
1871 ließ sich im Spiegelsaal von Schloss Versilles Preußens König Wilhelm I. zum Deutschen Kaiser proklamieren. 1919 unterzeichnete man am gleichen Ort den Friedensvertrag von Versailles, der den ersten Weltkrieg zum Abschluss brachte.
1979 wurde das Schloss in die Liste des UNESCO – Weltkulturerbes aufgenommen und von jährlich 10 Millionen Menschen besucht.

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Schloss Versailles

 

Schloss Schleißheim, Bayern
Neues Schloss

Die Haupteingangseite der Residenz, die Länge beträgt über 300 m. Der Kurfürst lebte bei Baubeginn in der Hoffnung, die Königs- und Kaiserwürde zu erreichen

Die Haupteingangseite der Residenz, die Länge beträgt über 300 m. Der Kurfürst lebte bei Baubeginn in der Hoffnung, die Königs- und Kaiserwürde zu erreichen

Baugeschichte: Der Kurfürst Maximilian II Emanuel von Bayern (reg. 1679-1726) wurde in ganz Europa als Heerführer, Feldherr und „Türkensieger“ gefeiert. Er machte sich auch Hoffnungen eine Königs-und Kaiserwürde zu erlangen. Im Jahre 1700 beauftragte er den Baumeister Enrico Zuccalli Entwürfe für eine standesgemäße Residenz zu erstellen.

Der Blick vom Obergeschoß auf die Treppenanlage

Der Blick vom Obergeschoß auf die Treppenanlage

1704 war der Rohbau vollendet, aber noch im selben Jahr wurden die Bauarbeiten eingestellt. Als die Großmächte im Spanischen Erbfolgekrieg um die Vorherschaft in Europa rangen, kam es zur Schlacht bei Höchstadt/Blindheim. Am 13.Aug. 1704 unterlagen die verbündeten französischen und bayerrischen Truppen den britischen und kaiserlichen Armeen. Max Emmanuel floh nach Frankreich ins Exil. 1715 kehrte der Regent zurück und die Bauarbeiten wurden fortgeführt.

Ein typisches barockes Stufenprofil

Ein typisches barockes Stufenprofil

Treppengeschichte: Die Barocktreppen zeichnen sich dahingehend aus, dass der gesamte Treppenraum geöffnet ist und die gesamte Treppenanlage mit ihren mehreren Treppenarme auf einem Blick zu erfassen sind. Das Treppensteigen soll zu einem Erlebnis werden. Durch die breiten Treppen ist es jetzt möglich, dass mehrere Personen nebeneinander die Stufen betreten können. Bei Wendeltreppen muss ein Nutzer mit einem kurzen Schritt vorliebnehmen, der andere mit einem langen Schritt.

1.Arm: Laufbreite 310 cm, 6 Stufen Steigungsverhältnis 16,5/40 cm
2.Arm: Laufbreite 328 cm, 21 Stufen Steigungsverhältnis 16,5/42 cm
3.Arm: Laufbreite 295 cm, 5 Stufen Steigungsverhältnis 16,5/42 cm
4.Arm: Laufbreite 312 cm, 21 Stufen Steigungsverhältnis 16,5/40 cm
Material der Treppenanlage: Tegernseer Marmor

Die Geländerfüllung besteht aus einem Bandornament, das zu dieser Zeit häufig vorzufinden ist.

Die Geländerfüllung besteht aus einem Bandornament, dass zu dieser Zeit häufig vorzufinden ist.

Die Tritt- und Setzstufen bestehen aus einem Block. Die Vorderkante besteht aus einem Wulst mit Falz und Kehle. Der Wulst hat eine Dicke von 5×5 cm. Das Stufenprofil ist ein typisches Barockprofil, das zu dieser Zeit in Europa angewandt wurde.
Die Geländerfüllung besteht aus einem Bandornament, das zu dieser Zeit häufig vorzufinden ist.
Der Treppenentwurf stammt vom Baubeginn, also 1700. Zu dieser Zeit war es eine besondere Leistung eine mehrarmige Treppe mit einem Handlauf in den Wendlungen so zu verziehen, dass er in der Abwicklung eine gerade Linie aufweist, zumal der Handlauf eine Breite von 30 cm hat und die Höhe 13,5 cm beträgt. Die Profilierung besteht aus aus verschiedenen Falzen, Kehlen und einem Karnies, die sich bis zur Unterseite des Handlaufes um 6 cm verjüngen.
Die endgültige Raumausgestalltung wurde durch Leo v. Klenze im Jahre 1846/47 fertiggestellt.

Im Untergeschoss das Vestibül im Obergeschoss der Kaisersaal

Im Untergeschoss das Vestibül, im Obergeschoss der Kaisersaal

 

Schloß Weißenstein, Pommersfelden, Bayern

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Bauherr: Lothar Franz v. Schönborn, (1655 – 1729) Fürstbischof von Bamberg (1693–1729)
Kurfürst und Erzbischof von Mainz (1695–1729)
Baumeister: Johann Dientzenhofer (1663-1726)
Johann Lucas v. Hildebrandt (1668-1745)
Bauzeit: 1711-1718
Treppentyp: doppelläufige Treppe
Laufbreite: 283 cm
Stufen: 2×10+15+10 = 2 x 35 Stufen 14/41 cm

Aufmaß: Friedrich Mielke

Lothar Franz v. Schönborn hatte u.a. durch sein Wirken zur Wahl Kaiser Karl VI. im Jahr 1711 beigetragen. Für seine Treue erhielt er 100.000 Gulden.

Lothar Franz v. Schönborn entschied sich beim Bau seines Schlosses 1713 für diese doppelläufige Treppenart, die zur Beletage führen sollte, alles Weitere überließ er seinen Baumeister Johann Dientzenhofer.

Mit dieser Vorgabe musste der Baumeister in die Planung gehen:
Grundriss
Raumbedarf für die Treppenführung unter Berücksichtigung, dass die Treppe nur in das erste
Obergeschoß führen soll.
Des Weiteren musste die äußere Fassade so gestaltet werden, dass der Eingangsbereich des
Gebäudes nicht durch Baumaßnahmen in den Hintergrund treten durfte.
Bestmögliche Ausleuchtung des Raumes

Es entstand ein Treppenraum mit einem Innenvolumen von 8.600 m³- eines der beachtenswertesten Werke Deutschlands.

Was für den Baumeister zu dieser Zeit noch fremd war ist, dass der Besucher, der mit einer Kutsche vorfährt eine Überdachung hat, um trockenen Fußes das Vestibül oder den Treppenaufgang zu erreichen. Sechs Jahre später war es bei dem Bau des Schlosses Ellingen (Unterfranken) eine Selbstverständlichkeit geworden.

Mit dem Steigeverhalten der Menschen hat sich der Baumeister Johann Dientzenhofer sehr intensiv beschäftigt. Der Treppennutzer soll beim Betreten des Gebäudes so eindrucksvoll mit der Baukunst überwältigt werden und zugleich angezogen sein, um diese beim Treppensteigen zu erleben. Betritt er die Treppe, so soll in seiner Blickrichtung ein interessanter Gegenstand, ein Bild oder eine Figur platziert werden, so dass er sich durch diesen angezogen fühlt und somit das mühevolle Steigen vergisst.
Die Anzahl der Stufen in einem Lauf sollen minimiert sein, so dass der Treppenbenutzer bei jeder Wendung mit neuem Eindrucken konfrontiert werden kann.

Pommersfelden Treppe führt zur Belletag

Pommersfelden Treppe führt zur Belletag

Ellingen, Schloß des Deutschen Ordens, Bayern

Seit 1216 gehört Ellingen dem Deutschen Orden und war die Residenz des Landkomturs der Ballei Franken (Verwaltungsbezirk). Sie war die mächtigste Ballei im Deutschen Orden. Anstelle des heutigen Schlosses gab es verschiedene mittelalterliche Vorgängerbauten und einen sehr repräsentativen Renaissancebau. 1708 wurde die heutige Schlossanlage gebaut und die spätgotische Schlosskirche barockisiert. 1717 bis 1721 entstand der Hauptbau.
Bauherr: Karl Heinrich v. Hornstein,1668 – 1745
(Ritter des Deutschen Ordens)

Treppenaustritt im zweiten Obergeschoß

Treppenaustritt im zweiten Obergeschoß

Baumeister: Franz Keller, Steinmetzmeister
Bauzeit: 1717-1721

Symmetrisch angelegte Treppe aus Stein mit
2 x 4 Hauptarmen und je 3 Nebenarmen

Steigung: 16-14 cm
Auftritt: 26-33 cm
Laufbreiten: 292, 192, 262, 464 cm
Treppenhausgröße: 9,30 x 18,07 m im Grundriss

Treppenansicht vom OG in das Treppenauge

Im EG ist die Treppenhalle als Durchfahrt geplant, so dass der Besucher zum einen bei feuchtem Wetter trockenen Fußes das Obergeschoss erreicht oder zum anderen über zwei Freitreppen von außen die Höhe überwinden kann.
Durch die großzügig angelegten Treppenaugen ergeben sich reizvolle Blickwinkel, optische Überschneidungen und tief gestaffelte Raumbilder, die fotografisch reizvolle Motive ergeben.

Ansicht vom ersten OG
Zur Person des Bauherrn
Karl Heinrich v. Hornstein, wurde 1689 in Ellingen in den Deutschen Orden aufgeschworen. 1708 hat er als Ratsgebieter der Ballei Franken übernommen. 1714 Hofratspräsident des Hochmeisters in Mergentheim. 1717 wurde er zum Statthalter der Ballei Franken erhoben. 1718 übernahm er die Landkomtur (Vorsteher eines Verwaltungsbezirks) und somit zugleich die Komtur von Ellingen und Würzburg. 1719 wurde er zum Geheimen Rat ernannt und 1729 zum kurfürstlichen Geheimen Rat in Köln berufen.

Würzburg, Fürstbischöfliche Residenz, Bayern

Die Marienburg aus dem 13. Jhd., die zwar mehrfach umgebaut wurde, war den Fürstbischöfen im 17. Jhd. nicht mehr standesgemäß. Des Weiteren kam Johann Philipp Franz v. Schönborn durch einen Prozess an eine sehr hohe Geldsumme.
1683 beschloss das Domkapitel von Würzburg den Sitz der Geistlichkeit vom Berg (Marienburg) in die Stadt am Main zu verlegen.
Somit folgte die Hohe Geistlichkeit dem Trend der Zeit. Es stand nun die Überlegenheit in wirtschaftlicher und künstlerischer Hinsicht „Überlegen“ zu sein.

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Bauherr: Johann Philipp Franz v. Schönborn (bis 1724)
Christoph Franz v. Hutten (1724-1729
Lothar Franz v. Schönborn (1655-1729)
Friedrich Carl v. Schönborn (1729-1746)
Carl Philipp v. Greiffenclau (1746-1752)
Architekt: Balthasar Neumann (1687-1753)
Bauzeit: Residenz 1720-1753
Treppenhaus 1735-1752
Treppenhaus: Fläche 32,6 m / 19,0 m = 619,4 m²
Gesamthöhe 21 m Volumen ~13.000, m³
Geschoßhöhe: 8,62 m
Treppenläufe: 19 +19+19+18 =75 Stufe
Treppenbreite: 4,03 m (Mitte), 3,25 m (Seiten)
Steigung: 11,5 cm
Auftritt: 36-38 cm
(Maße: Friedrich Mielke 13.9.1977)

Am Treppenantritt ist die Durchfahrt zu erkennen und in Verlängerung des Treppenaustrittes befindet sich der Kaisersaal

Am Treppenantritt ist die Durchfahrt zu erkennen und in Verlängerung des Treppenaustrittes befindet sich der Kaisersaal

Die Rangfolge für die Planung war:

Eindrucksvoller Empfang
Pompöse Treppenanlage
Ausgestaltung des Kaisersaals
Paradezimmer für hohe Gäste
Bei der Einteilung der Räume bot das Treppenhaus die größten Probleme. Der noch sehr junge und unerfahrene Balthasar Neumann untersuchte verschiedene Möglichkeiten, beratend zog er seine Kollegen in Pommersfelden, Wien und Paris hinzu.
Es stand fest, dass die Haupttreppe der Mittelpunkt der Residenz werden muss. Durchgesetzt hat sich der Plan für ein Treppenhaus nördlich der Mittelachse im Anschluss an das Vestibül.

Die Treppenhalle im Obergeschoss zeigt im Deckenfresko das Leben auf 4 Erdteilen, Amerika, Asien, Afrika, Europa Australien war noch nicht entdeckt. Durch die Wölbung entsteht eine Fläche von 677 m². Es ist das größte zusammenhängende Deckenfresko der Welt

Die Treppenhalle im Obergeschoss zeigt im Deckenfresko das Leben auf 4 Erdteilen, Amerika, Asien, Afrika, Europa Australien war noch nicht entdeckt. Durch die Wölbung entsteht eine Fläche von 677 m². Es ist das größte zusammenhängende Deckenfresko der Welt

Die Aufgabe war, dass das Äußere der Fassade mit der Fensterfront gewahrt bleiben muss, somit wurde der Treppenaufgang in die Raummitte gelegt. Andere Barockbaumeister hatten das gleiche Problem. Die Lösung war einen Umgang im Obergeschoß herzustellen. Auf diese Weise wurde die Treppe von allen Überlegungen frei und die Fassade konnte nach Belieben gestaltet werden, ohne auf Tageslicht verzichten zu müssen. Da Neumann das Gewölbe über der Treppenhalle ohne Stützen fertigen ließ, gab es sehr barsche Kritik von Freunden und Kollegen.
Aber selbst der Bombenangriff vom 16. März 1945, in dem auch die Residenz stark beschädigt wurde, hat das Gewölbe überstanden.

 

St. Petersburg, Jordantreppe
Haupttreppe in der Ermitage St. Petersburg Russland

Francesco Rastrelli, war der erste Architekt am russischen Hof. Er wurde beauftragt das baufällig gewordene Winterhaus zu einem würdigen Palast um zu bauen. Dies war eine Aufgabe an der noch etliche Generationen nach ihm hauptsächlich mit der Ausschmückung der Innenräume beschäftigt waren.

Baumeister: Francesco Rastrelli
Bauzeit: 1754-1762
Nach dem Brand von 1837 Wiederherstellung von Wassili Stassow

Die Treppe platzierte er so, dass vom Vestibül die ersten Stufen in Erscheinung treten und im weiteren Verlauf auf dem zweiten Podest die Statue „Herrscherin“ jedem Besucher in den Bann zieht. Hat man den Treppenraum erreicht, so ist diese von Licht überflutet und strahlt in goldenem Glanz.
An dem Werk waren russische Formbildner, Schnitzer, Vergolder und Meister, die den Marmor bearbeiteten, beteiligt. Sie verwirklichten die schöpferische Phantasie Rastrellis in Stein, Holz und einfachem Gips.

Der Antrittsarm mit der Herrscherin im Hintergrund

Der Antrittsarm mit der Herrscherin im Hintergrund

Der zweite Arm mit einer Stufenfolge von 20 Steigungen

Der zweite Arm mit einer Stufenfolge von 20 Steigungen

Antrittsarm: 11 + 15 Stufen, Steigung 10 cm Auftritt 34 cm Breite 600 cm
2. Arm: 2x 20 Stufen, Steigung 10,5 cm, Auftritt 34 cm, Breite 600 cm
3. Arm: 2x 14 Stufen, Steigung 10,5 cm, Auftritt 34 cm, Breite 600 cm
4. Arm: 2x 19 Stufen, Steigung 10,5 cm, Auftritt 34 cm, Breite 600 cm
Material: Weißer Carrara Marmor

Die Verziehung der Stufen im Bereich des Eckpodestes sind gut gestaltet

Die Verziehung der Stufen im Bereich des Eckpodestes sind gut gestaltet

Im 18. Jhd. wurde die Treppe Botschaftertreppe genannt, im 19. Jhd. in Jordantreppe umbenannt.
In Erinnerung an die Taufe Christi am Jordan zog im Januar von dieser Treppe ausgehend ein festlicher Prozessionszug zum Newa-Fluss.

 Ein Blick auf das Zwischenpodest

Ein Blick auf das Zwischenpodest

 

Palais Preysing, München

Die Treppe in der Residenzstraße 27 wurde im spätbarocken Stil erbaut.

Gerade fünfarmige Treppe mit Zwischenpodest und zwei Eckpodesten
Bei der Verdoppelung dreiarmiger Treppen ist es nicht von Bedeutung, ob der Antrittslauf mit einem oder mit zwei Armen beginnt.
Emanuel Graf von Preysing begleitete den Nachwuchs von Kurfürst Karl Albrecht als Erzieher und Berater. Der Kurfürst war sehr unzufrieden, dass sein Angestellter und Pädagoge in einer unstandesgemäßen, baufälligen Behausung sein Leben verbrachte. Graf Preysing beauftragte daraufhin den Architekten Joseph Effner, der auch schon an Schloss Schleißheim arbeitete, ein repräsentatives Palais zu errichten. Das Bauwerk war in nur fünf Jahren fertig gestellt. Die Ausstattung war außerordentlich aufwendig, insbesondere die Stuckarbeiten deren Stil bis dato in ihrer Art nicht bekannt war. Das Palais Preysing war das erste Rokoko-Palais Münchens.
Der junge Joseph Effner stammte aus einer alten Gärtnerfamilie. Er war das neunte von zehn Kindern. Sein Vater war Gartenbaumeister bei Hofe und auch Joseph lernte diesen Beruf.

Treppenantritt im 1. Obergeschoss

Treppenantritt im 1. Obergeschoss

Bauherr: Johann Maximilian IV Emanuel
von Preysing (1697 – 1776)
Architekt: Joseph Effner (1687 – 1745)
Bauzeit: 1723 – 1728
Steigungsverhältnis: 16,5/32 cm
Tritt-Setzstufen: Eichenholz
1.Arm 14 Stufen, 2.Arm 4 Stufen 3.Arm 14 Stufen

Die Treppenarme zum 2. Obergeschoss

Die Treppenarme zum 2. Obergeschoss

Kurfürst Max Emanuel schickte den 19jährigen nach Brüssel, um Gartenbau bei „berühmten Männern“ studieren zu können. Kurze Zeit später zog es ihn nach Paris und entschloss sich den Gärtnerberuf aufzugeben, um Baumeister werden zu können. Der Kurfürst ermöglichte ihm an der Elitehochschule für Architektur in Paris seinen Abschluss zu machen. Wieder in München nannte Effner sich Architekt, in Abgrenzung zu den niederen Baumeistern.
Zur Weiterbildung schickte ihn Max Emanuel 1717 für zehn Wochen auf eine Italienreise nach Venedig, Rom und Neapel.
1720 wurde Effner zum Oberhofbaumeister ernannt. Von 1719 – 1726 arbeitete er am Weiterbau von Schloss Schleißheim.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude stark beschädigt. Mit dem Wiederaufbau wurde der Denkmalpfleger und Architekturhistoriker Erwin Schleich beauftragt, der nach alten Vorlagen das Treppenhaus und das Gebäude rekonstruierte.

Bürgerhaustreppen

Rotes Haus in Monschau,
Nordrhein – Westfalen
Bauherr: Johann Heinrich Scheibler (1705-1765) Tuchmacher
Baumeister: Johann Joseph Couven (1701-1763)
Bauzeit: ~1760 – 1767
Material: Eichenholz
20 Stufen: 18/29 cm
Laufbreite: 135 cm
1973-1980 grundlegende Instandsetzung

Eingangsfront Rotes Haus

Eingangsfront Rotes Haus

Das sogenannte „Rotes Haus“ beinhaltet zwei Häuser unter einem Dach. Die vier linken Fensterachsen, das ›Haus zum goldenen Helm‹ war der Wohnteil des Unternehmers. Die vier rechten Fensterachsen, › Haus zum Pelikan‹ war Kontorhaus und Produktionsstätte zur Tuchherstellung.
Hinter der geschieferten Dachfläche verbarg sich der Lagerraum.
Das Wasser des Baches, der an der Rückseite des Hauses vorbeifließt, wurde durch einen Kanal in den Kellerraum geleitet, so dass die Wolle gewaschen und gefärbt werden konnte.

Ansicht der Rokoko Prunktreppe im 1. Obergeschoss

Ansicht der Rokoko Prunktreppe im 1. Obergeschoss

Für den Bau der Treppen gibt es keine gesicherte Überlieferung, Offenbar hatte der willensstarke Scheibler den Kunsthandwerkern klare Vorgaben gegeben, denn die Darstellungen im Geländer zeigen präzise die grundlegenden Abläufe der Tuchherstellung. Die Geländer und die Schnitzerei an den Wangen sind mit absoluter Sicherheit von Holzschnitzer hergestellt worden.
Die Herstellung der Treppenwange ist sehr ungewöhnlich. Nach Aussage eines Schreiners, der an den Instandsetzungsarbeiten beteiligt war, sind die Wangen aus drei vertikal stehenden Brettchen verleimt worden. Die Unter- und Oberkanten sind anschließend mit profiliertem Brett verkleidet worden.
Der mündlichen Überlieferung nach sollen fünf Lütticher oder aus Namur stammende Handwerker an der Treppenanlagen gearbeitet haben.

Ein Putto sannt mit einer Zugvorrichtung ein gewalktes Tuch zum Trocken und Strecken auf einen hackenbesetzten Sannrahmen

Ein Putto spannt mit einer Zugvorrichtung ein gewalktes Tuch zum Trocken und Strecken auf einen hakenbesetzten Spannrahmen

Die Themen in den Bildreliefs haben eine alte Bildtradition in der Kunst des Barock und des Rokoko.
4 Jahreszeiten : Frühling – Sommer – Herbst – Winter
4 Tageszeiten: Morgen – Mittag – Abend – Nacht
4 Elemente: Luft – Erde – Wasser – Feuer
Es folgen die Arbeitsschritte Wollverarbeitung
7 As. der Spinnerei: Schafe hüten – Wolle waschen –
Färben – Trocknen – Krempeln – Rückfetten, –
Spinnen
7 As. der Weberei: Kettschären – Weben – Noppen –
Stopfen – Walken – Rauen – Spannen
7 As. der Tuchveredlung: Scheren – Falten – Pressen –
Siegeln – Etikettieren – Verpacken – Transport

 

Amsterdam – Niederlande
Barocktreppen in Bürgerhäuser

Niederländischen Kaufleuten gelang es mit Gewürzhandel, meist aus südasiatische Ländern, große Vermögen anzuhäufen. Zur Mitte des 17. Jhd. besaßen die Niederländer die größte Handelsflotte Europas, da sie Frachtschiff mit einfacher Segelkonstruktion und großer Ladekapazität bauten. Ihr Handel im Ostseeraum, Skandinavien, England, Frankreich und Spanien war nahezu konkurrenzlos.
Architektur
1612 wurde in Amsterdam 2 Grachten (Kanal, Graben) um die Altstadt herum ausgehoben: die Herengracht (Herrengraben) 2,4 km lang und die Keizersgracht (Kaisergraben) 2,7 km lang. Diese Straßenzüge haben in der Mitte einen Kanal, rechts und links eine Straße. Der Kanal ist ein Haupttransportweg für Güter und Menschen.
Die gewieften und reichen Amsterdamer Kaufleute, auch „Pfeffersäcke“ genannt, bauten sehr schmale Vorderfronten. Um genügend Platz für Wohnraum und Lager zu haben wurde sehr hoch und sehr tief nach hinten ins Grundstück gebaut.
Herengracht 168

Die Linienführung des Geländers ist perfekt gelöst.

Die Linienführung des Geländers ist perfekt gelöst.

Architekt: J. van Cogteren
Baujahr: 1728
Steigungsverhältnis: 19,6/23 cm
Holztreppe: linksgewendelt
Treppenauge: elliptisch
Freiwange: aufgesattelt
Treppenauge: 175/115 cm
Handlauf: 9,5/12 cm b.h.
Die Treppenunterseite wurde mit Stuckdekorationen ausgeschmückt. Der Stil von Louis XVI hat auch die Geländerstäbe beeinflusst. Die Baluster wurden brillant geschnitzt.

Die enggestellten und kunstvoll geschnitzten Baluste sind der Brüstung sowie der Steigung fliesend angepasst.

Die enggestellten und kunstvoll geschnitzten Baluste sind der Brüstung sowie der Steigung fliesend angepasst.

Keizersgracht 672

Das Geländer an der geraden gegenläufigen Treppe besteht aus Eisen, Kupfer und Bronze. In der Geländerform sind bei der ersten Treppe die Buchstaben V. H. (van Hagen), bei der zweiten Treppe TRIP (Treppler) eingearbeitet.

Baujahr: 1672
Bauherr: Adriaan Dortsman
Neuer Eigentümer: 1752 Dr. Abraham van Hagen
Ehefrau: Catharina Elisabeth v. Treppler
Baujahr der Treppe: ca. 1765
Steigungsverhältnis: 20/ 25,6 cm
Untertritt: 8 cm
Wandseitig: Stufen gestemmt
Freiseitig: Stufen aufgesattelt
Holzart: Eichenholz

In dem Geländer ist die Bezeichnung TRIP eingearbeitet, eine Kurzbezeichnung für die Dame des Hauses.

In dem Geländer ist die Bezeichnung TRIP eingearbeitet, die Kurzbezeichnung für die Dame des Hauses.

Nahe ansicht

Nahe ansicht

 

Herengracht 548

Bauherr: Cornelis Backer (1633-1681)
Baujahr: 1663
Laufbreite: 109 cm
Steigungsverhältnis: 17,7/30 cm
Geländer: geschnitzte Ornamente
Holzart: Eichenholz
Der gesamte Treppenraum ist sehr prachtvoll ausgearbeitet.

AMS-7

Mit der Belichtung, die durch die Kuppel in den Treppenraum fällt, erhält der Nutzer ein „erhabenes“ Gefühl beim Treppensteigen

Mit der Belichtung, die durch die Kuppel in den Treppenraum fällt, erhält der Nutzer ein „erhabenes“ Gefühl beim Treppensteigen

 

Herengracht 284

Bauherr: Hillegonda und Margaretha Rutger
Baumeister: Jean Coulon? Frederic Blancard
Baujahr: 1728
Laufbreite: 144 cm
Material: Marmor, Holz
Geländer: Linden Holz
Die Geländer der holländischen Treppen haben eine künstlerische Ausgestaltung die ihres gleichen sucht. Die Ausführung in solch einer filigranen Feinheit grenzt fast schon an ein Wunderwerk.

AMS-9

 

Herengracht 366, bijbels museum

Bauherr: Jacob Cromhout
Baumeister: Philip Vingboons (1607-1678)
Baujahr: 1662
Laufbreite: 117-135 cm
Steigungsverhältnis:18/23,5 cm
Stufenuntertritt: 6,5 cm
Treppenauge: elliptisch
Material: Holz

 

In der Regel sind die Grundstücke sehr schmal. In diesem Fall hat der finanziell gut betuchte Bauherr zwei Nachbargrundstücke hinzugekauft, um eine für ihn passende Symmetrie der Raumaufteilung zu erreichen.

Keizersgracht 324
Huis Felix Meritis, Vereinsgebäude

Heute ist das Gebäude „European Centre for Arts and Scienes“ und dient für Debatten, Konferenzen, Festivals, Musikveranstaltungen, TV-Aufnahmen und internationale Kurse.

Bauherr: Maatschappij Felix Meritis, gegründet 1777
Baumeister: Jacob Otten Husly (1738-1797)
Baujahr: 1779
Treppenhaus: 5 x 6,5 m Höhe 18 m
Laufbreite: 128-131 cm
Steigungsverhältnis der verschiedenen Treppenläufe
in cm, 19/23 – 20/25 – 19/25 – 17/24 – 19/26

   AMS-10

Amsterdam Nr. 10-1

Eine Besonderheit sind die Geländer-Traljen. Ihr linsenförmiger Querschnitt entstand durch eine besondere Bearbeitungstechnik auf der Drehbank. Das Verfahren nennt sich „Kantigdreherei“. Außer in den Niederlanden scheint es wenig Verbreitung gefunden zu haben.

Utrecht, Agnietenstraat 5
Bauherrin: Freiherrin van Renswoode
Bauzeit: 1751
Holzart: Eichenholz
Steigungen: 15
Steigungsverhältnis: 17/28 cm
Laufbreite: 136 cm

Uet-01k

Die Stufen der ¼ gewendelten Treppe sind so verzogen, dass auf jeder Stufe eine geschnitzte Bohle steht. Der Schnitzer fertigte alle Teile gleich an, aber in der Steigung sorgfältig aufeinander abgestimmt. Es entstand ein äußerst bewunderungswertes Geländer.

Utrecht

Diese zwei Geländerteile sind in einer Schule. Um ein Hinabrutschen auf den Geländern zu verhindern, sind die Handlaufenden mit einem Knauf versehen.

Antrittspfosten im Erdgeschoß

Antrittspfosten im Erdgeschoß

Literatur:
„Treppen der Welt“ Scalalogia XX  Friedrich Mielke Konstein 2011
Brockhaus + Wikipedia
Das Rote Haus von Monschau, Stiftung Scheibler-Museum,

 Treppen zwischen Tauber, Rezat und Altmühl, Josef Lidl und Friedrich Mielke 1985
Das Bild der Menschheit, Baden-Baden 1976

Verfasser: Wolfgang Diehl 2015