Nachkriegsdeutschland bis zur Gegenwart

Der Neue Weg der „Bauhausbewegung“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland war nach ihrem Selbstverständnis ein allumfassendes Bauen. Unter Führung der Architektur als Generalistin sollten Kunst, Kunstgewerbe und Industriedesign weitestgehend miteinander verschmelzen – eine Integration von Theorie, Design und Praxis war das angestrebte Ziel. Obwohl die „Bauhaus-Hochschule für Gestaltung in Dessau“ 1933 von den Nationalsozialisten geschlossen wurde, hatte die international anerkannte Bewegung in den 13 Jahren ihres Bestehens die Gedankenwelt der Architektur für die nächsten Jahrzehnte revolutioniert.

In den 1950er Jahren wurden durch Fortschritte bei der Materialtechnologie neue Fertigungstechniken, Materialien und Verbindungsmittel entwickelt. Es entstand eine gewisse sachliche Leichtigkeit, wie z.B. der Nierentisch, die Tütenlampe und leichte, filigrane Sitzmöbel. Bevölkerungskreise, die es sich dies leisten konnten und auch noch ihren Urlaub in Italien verbrachten, wurden im Volksmund „Neureiche“ genannt.

Nach der eher rückwärtsgewandten Architektur des Dritten Reiches setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg diese Entwicklung der Leichtigkeit auch im Bauwesen fort. Da eine große Anzahl neuer Materialien und Techniken zur Verfügung stand, entstand eine Vielzahl von Gestaltung und Formen der Treppen und Geländer. Diese Treppen betonten eben sosehr den Geist der Technik, wie er auch durch die praktische nüchterne und schmucklose Lebensauffassung im Eigenheim insgesamt zum Ausdruck kam.

Auch im Haushalt setzen sich pflegeleichte Bodenbeläge aus Kunststoff oder Stein durch. Die Zeit des Wachsens, Blockens und Polierens der Fußböden war zur Freude der Damen des Hauses vorbei.

Aus eigener Erfahrung kann ich berichten:

Als ich 1964 meine Gesellenprüfung ablegte, gab es nur zwei Zimmerlehrlinge in Frankfurt am Main. Die allgemeine Meinung war, dass der Beruf der Zimmerleute, der mit dem altmodischen Baustoff Holz arbeitete, aussterbend sei, denn es wurde zu dieser Zeit alle zehn Minuten ein neuer Kunststoff entwickelt. Von  Zimmerei- und Treppenbaubetrieben, bei denen ich tätig war, wurden dutzendfach in Bürgerhäusern mit zum Teil mit sehr schönen Holztreppen deren Stufenvorderkanten abgeschnitten und neue Leisten aufgeleimt zur Vorarbeit zum Aufkleben eines modernen Kunststoffbelages. Als 1970 die Vorbereitungslehrgänge zur Meisterprüfung anstanden, teilten uns einige Dozenten mit, dass wir goldenen Zeiten entgegen gehen würden. Wir, geprägt von der 68er Bewegung, die alles besser zu wissen glaubte, hatten für dieses „Gerede“ nur ein müdes Lächeln übrig. Aber die alte Generation hatte recht – der Baustil änderte sich wieder einmal.

Mit dem wachsendem Wohlstand entstand in der Bevölkerung der Wunsch nach höherer Wohnkultur. Den sich neu entwickelnden Baustil bezeichnet man als „Postmoderne“ oder im Volksmund auch „Nostalgiewelle“  genannt.  Leitgedanke der neuen Stilrichtung war eine Rückbesinnung auf geschichtliche Vorbilder und Wurzeln. Historische Architekturelemente wurden mit moderner Formensprache kombiniert.

Ende der 1960er und zu Beginn der 1970er Jahre war das Verlangen nach natürlichen Baustoffen in der Bevölkerung wieder gestiegen. Eichenholz mit starken Dimensionen und möglichst rustikaler Ausführung war der Traum vieler Eigenheimbesitzer. Anfänglich wurden die Treppen überwiegend in aufgesattelter Bauart ausgeführt. Nach kurzer Zeit wechselte die Ausführung in die etwas arbeitsintensivere gestemmte Treppenform. Stark profilierte Geländerstäbe und Schnitzwerk an den Antrittspfosten durften bei einer vollständigen Treppe nicht fehlen. Eine Umfrage bei Treppenbauern hat ergeben, dass im Jahr 1984 die Schnitzereien an Treppen ihren Höhepunkt hatten.

Kurze Zeit später wünschten sich die Kunden weiß lackieren Wangen, Trittstufen und später auch Wangen aus holzsichtigem Buchenholz.

Stellen die Designer aus dem Bereich des Innenausbaus auf den Möbelmessen z.B. in  Köln oder Mailand ihre neuesten Kreationen vor, so können diese neue Stilrichtungen zum Flop oder Trend werden. Wenn letzteres der Fall ist, kann es zu großen Veränderungen und Umwälzungen bei der Wohnungsausstattung kommen.

Diese  Veränderungen wiederholen sich nach meiner Beobachtung in Abständen von 15 bis 20 Jahren. Wenn ein solcher Wechsel in der Holzbranche bevorsteht, so werden etwa zwei – drei Jahre lang eine Vielzahl von Hölzer aus der ganzen Welt angeboten, die um die Vorherrschafft wetteifert bis sich eine neue Holzart durchsetzt.

Von der Mitte der 1970er Jahre bis zum Ende der 1980er Jahre kann man beim Innenausbau von Holzbaujahren reden. In den 1990er Jahren wurde der Stahl wieder neu entdeckt (der in den 70er Jahren vom Holz verdrängt wurde), insbesondere auch Edelstahl. Somit reduzierten sich die Querschnitte auf ein Mindestmaß und leichte Baukörper entstanden.

Ab Mitte der 1990er Jahren warb die Bauindustrie mit dem Slogan „Beton der Marmor des 21. Jahrhunderts“. Durch den Brutalismus (Architekturstil der Moderne) in den 1950er bis 1980er Jahren geriet dieser Baustoff  vielfach in Verruf. Der Neuanfang sollte nun besser werden.

Die Sichtbetonfläche ist größtenteils von der Schalfläche abhängig, denn deren Oberfläche bildet sich auf dem Beton ab. Diese kann spielglatt, mit einer Textur oder auch mit Farbe versetzt sein.

Grobe Umrisse über die Oberflächenbeschaffenheit bestimmen die vier Sichtbetonklassen. Jeder, der sich mit dem Gedanken trägt eine derartige Oberfläche in Auftrag zu geben, sollte sich mit den Details der einzelnen Klassen auseinandersetzen.

Wolfgang Diehl