Hängetreppen

Treppen in  Hängebauweise

Im Rahmen der Leistungsschau „Ausstellung Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“ in Berlin 1934 befand sich in der Halle „Energiewirtschaft und Technik“ die Abteilung der Nichteisenmetalle, die von Walter Gropius und Joost Schmidt gestaltet worden war. Eines der Ausstellungstücke war eine nicht zu übersehende hohe Wendeltreppe, die unten einem liegenden Rohr großen Durchmessers entsprang. Die 100 Stufen bestanden aus verschiedenen Nichteisenmetallen. Die Stufen waren mittels dünner Metallstäbe aufgehängt, die wie ein transparenter Gehäusezylinder wirkten. Hiermit wurde eine massige Unterkonstruktion aus Wänden oder Wangen überflüssig.

Eine Aufhängung der Stufen durch Drahtseile scheiterte an der geringen Eigenlast der leichten Stufen, die nicht zu einer Spannung der Seile mit geradem Verlauf führte.

Möglicherweise wurden die beiden Architekten von modern gewordenen Hängebrücken inspiriert, da in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg eine derartige Transparenz bei Treppen noch nicht üblich war. Die Idee aufgehängter Stufen wurde beim Bauen in der Zeit des Wirtschaftswunders aufgegriffen.

Beispiel einer zweiseitigen Hängetreppe in Frankfurt a. M.

Die angestrebte, möglichst weitgehende Minimierung der Unterkonstruktion führt zwangsläufig dazu, daß die an ihnen befestigten Stufen je nach ihrer Höhenlage an Stangen hängen oder von ihnen unterstützt werden. Dünne Stäbe können wenige untere Stufen noch tragen, wohingegen die Stäbe bei höher befestigten Stufen bei Druckbelastung ausknicken würden. So sind bei sehr schlanken Metallstäben die Stufen überwiegend aufgehängt und nur bei unteren Stufen ist eine teilweise Lastabtragung nach unten vorhanden.

Bei schlanken Stäben wird der Eindruck des Schwebenden, Leichten vorzüglich erreicht, was bei dieser Treppe durch ihre freie Plazierung mit beidseitiger Aufhängung besonders zur Geltung kommt und auch von den dünnen Stufen bewirkt wird.

In den 1960er und 1970er Jahren war diese Art von Treppen besonders in Reihenhäusern sehr beliebt. Von Herstellern und auch umgangssprachlich wurde sie als Harfentreppe bezeichnet. Die  Herstellungskosten waren sehr gering im Verhältnis zu anderen Treppentypen.

 

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Bauzeit 1953, Architekt, A. Giefer

Beispiele, einseitige Hängetreppe mit Stahlstäben

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Die Holzstufen sind wandseitig auf Stahlkonsolen gelagert und freiseitig an Rundstäben gehängt und gestützt. Unter den Stufen sowie auch über den Stufen befinden sich Unterlagscheiben. Die beiden Metallstangen mit einem Innengewinde sind durch ein Gewindestab verbunden. Das Steigungsverhältnis beträgt 18,9/24,5 cm, die Laufbreite 95 cm.

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Die Stufen lagern wandseitig auf Flachstählen, auf der Freiseite sind Auflagerwinkel an die Rundstäbe aus Stahl geschweißt. Die Stäbe werden wegen ihres geringen Durchmessers eher auf Zug als auf Druck beansprucht, weil die sehr dünnen Querstäbe keine ausreichende Stabilisierung der Vertikalstäbe gegen Ausknicken bewirken können.

Beispiel mit Holzstäben

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Holzstäbe bilden das tragende Element auf der Freiseite. Aus der Zeichnung geht hervor, dass an den Stufenvorderkanten die Stäbe unterbrochen und die Stufen an ihrer Hinterkante nur in Ausklinkungen aufgelagert sind. Die Rundstäbe werden auf Druck beansprucht.

Schnitt Freiseite. Die Verbindungen sind handwerklich ausgeführt

Schnitt Freiseite. Die Verbindungen
sind handwerklich ausgeführt

Blutspendezentrale Amsterdam

 

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Architekt J.J. van der Linden, Amsterdam. Die Treppe hat eine elliptische Grundform. Die Stufen sind an dünnen Stäben befestigt, die zwischen die Geschoßdecken gespannt sind 

Beispiele von hängenden Spindeltreppen

Bei der Treppe des ersten Fotos ist die auf das Nötigste reduzierte Treppe nach einem geometri­schen Konzept angelegt, ein Sie­beneck dient als Grundrißmuster. An den Eck­punkten sind an der Innen- und Au­ßenseite tragende Stäbe angeordnet, die im Obergeschoß auf Brüstungshöhe enden. Jede Ecke umschließt zwei Stufen, die Zwischenstäbe verbin­den zwei Stufen miteinander. Das Tragever­halten ist nur möglich, weil die Stufen das Stahlrohr halb umschlie­ßen, die Befestigung erfolgt mit Schrauben.

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 Treppen Ø:           160 cm

Geschoßhöhe:      270 cm

Treppenauge Ø:    26 cm

Stufen:                   15

14 Stufen auf 360 Grad

Baujahr 1990

Siebeneck

Siebeneck

Grundriss

Grundriss

Die durchgehenden Stäbe auf der Außenseite finden ihren Halt an der Decke

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Schnitt

Stahlstäbe mit einem Durchmesser von 30 mm sind das eine tragende Element der Treppe, sie bilden eine Art Spindel. Das zweite Element ist eine Wange aus Stahlblech auf der Außenseite. Dazwischen sind als tragende Stufenelemente 2 mm dicke Lochbleche angeordnet. Die aufgelegten Stufen sind mit dem Lochblech durch Schrauben verbunden.

Historisches Beispiel

Eine der bekanntesten ältesten Treppen, die einer Hängetreppe ähnelt, befindet sich in der Bibliothek des Klosters Vorau in Österreich, sie wurde in der Zeit von 1725 – 1731 erbaut. Die zweigeschossige Zwillingswendel­treppe führt zu Podesten, einige der Stufen sind an ihrer Außenseite mit Vertikalstäben verbunden, die über zwei Laufhöhen reichen. Die handgeschmiedeten Eisenstäbe haben einen Durchmesser von 26-28 mm. Sie durchdringen die Stufen aus Nußbaumholz, die eine Dicke von 30 mm haben.

Zwillingstreppe im Kloster Vorau, Österreich Zeichnung: Friedrich Mielke

Zwillingstreppe im Kloster Vorau, Österreich
Zeichnung: Friedrich Mielke

Die Laufbreite beträgt etwas mehr als 1,00 m, die Steigung im Durchschnitt ca. 20 cm.

Literatur:

Treppen, Klaus Pracht, Stuttgart 1986

Treppen in Holz, Bruderverlag Karlsruhe 1965

Neue Wege im Treppenbau, Wolfgang Diehl, Karlsruhe 1995

Geschichte der Deutschen Treppe, Friedrich Mielke, Berlin-München 1966

Treppen der Welt, Friedrich Mielke, Konstein 2011

 

Verfasser: Wolfgang Diehl 2016